Viele Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen verzichten auf den Solidaritätsbeitrag, der ihnen zustehen würde. Die zuständige Kommission hat nun die Gründe untersuchen lassen. Dazu gehört ein Misstrauen gegenüber Behörden.

Noch bis im März können ehemalige Verdingkinder und andere Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen beim Bund ein Gesuch für einen Solidaritätsbeitrag von 25'000 Franken einreichen. Bisher sind 4525 Gesuche eingegangen. Die Zahl der Opfer ist aber viel höher: Der Bund geht von 12'000 bis 15'000 Anspruchsberechtigten aus.

Warum sich viele nicht melden, ist nun von den administrativen Versorgungen (UEK) und wissenschaftlich der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften untersucht worden.

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Bundesrätin Simonetta Sommaruga spricht mit Personen, die von Verdingung betroffen waren. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Viele ehemalige Verdingkinder holen Solidaritätsbeitrag, der ihnen zusteht, nicht ab.
  • Die Gründe für den Verzicht sind vielfältig.

Schlechter Gesundheitszustand

Ein Grund für die tiefe Gesuchszahl ist gemäss der UEK, dass viele Betroffene verstorben sind oder sich in einem schlechten gesundheitlichen Zustand befinden. Noch lebenden Opfern fehlen teilweise die emotionalen oder gesundheitlichen Ressourcen, um eine Gesuch zu stellen.

Ein weiterer Grund ist ein Misstrauen gegenüber den Behörden und die Angst vor erneuter Diffamierung und Stigmatisierung. Um einen Solidaritätsbeitrag zu erhalten, müssen die Betroffenen belegen, dass sie Opfer waren. Viele wollten aber endlich «Ruhe finden».

Unabhängigkeit und Scham

Weiter gibt es Personen, die schlicht nichts von den Behörden verlangen wollen, auch keinen Solidaritätsbeitrag. Ausserdem spielen Schamgefühle und die Angst vor Reaktionen aus dem Umfeld. Die Einreichung eines Gesuches bedeute, sich als Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen zu erkennen zu geben, schreiben die Forscher. Viele Betroffene hätten jahrzehntelang versucht, genau das zu vermeiden und ihre Vergangenheit vor ihrem Umfeld geheim zu halten.

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