Umfragestudie: Jugend-Kriminalität erledigt sich oft von allein
Sofort hart durchgreifen, damit für Jugendliche nicht gilt: Einmal kriminell, immer kriminell? Forscher sagen nun: Harte Reaktionen sind der falsche Ansatz.

Das Wichtigste in Kürze
- Forscher der Universitäten Münster und Bielefeld haben Umfragen zu Straftaten geführt.
- Die Ergebnisse aus mehreren Jahren zeigen: Ein Jugendlicher bleibt nicht ewig kriminell.
Wer als Jugendlicher kriminell wird, bleibt es in der Regel nicht sein Leben lang. Forscher der Universitäten Münster und Bielefeld widersprechen nach einer auf Befragungen basierenden Langzeitstudie dem Vorurteil «einmal kriminell, immer kriminell».
Nach dem Jugendalter werden die allerwenigsten straffällig
Diebstahl oder einfache Gewaltdelikte sind demnach im späten Kindes- und mittleren Jugendalter nicht ungewöhnlich: Bei den befragten Jungen gaben 28 Prozent im Kindesalter und 25 Prozent als Jugendliche an, solche Taten begangen zu haben.

Bei den Mädchen waren es mit 22 und 14 Prozent etwas weniger. Ab dem Ende des Jugendalters wurden die allermeisten dann nicht mehr straffällig. «Dieser starke Rückgang der Jugenddelinquenz ist normal und wird als Erfolg einer regulär verlaufenden Erziehung und Sozialisation gewertet», erklären die Studienautoren zu dem Ergebnis, das auf andere Grossstädte übertragbar sei.
Tabu-Bruch als Chance
Die Wissenschaftler um den Kriminologen Klaus Boers und den Soziologen Jost Reinecke hatten von 2002 bis 2019 in Duisburg rund 3000 Menschen zwischen dem 13. und 30. Lebensjahr regelmässig nach begangenen Straftaten, Einstellungen, Werten und Lebensstilen befragt.
Zwei Drittel der Schulen in Duisburg hätten teilgenommen, wobei Hauptschulen und Gesamtschulen eher dazu bereit gewesen seien als Gymnasien.
Das Ergebnis glichen die Forscher mit Behördendaten ab. Sie hätten auf Antrag Einsicht in das Erziehungs- und das Strafregister bekommen, erklärte Boers. «Damit können wir untersuchen, wie sich strafrechtliche Sanktionen auswirken. Zusätzlich kann man abgleichen, inwieweit die Delinquenzangaben der Schülerinnen und Schüler zutreffen.»

Soziale Normen würden durch eine pädagogisch angemessene Reaktion auf Regelverletzungen erlernt, schreiben die Autoren in der Studie «Kriminalität in der modernen Grossstadt». «Kleine bis mittlere Delikte bieten auch eine Chance, die Geltung von Normen, die Grenze zwischen Erlaubtem und Verbotenem zu erlernen. Im Tabu-Bruch liegt also immer auch die Möglichkeit, das Tabu zu bewähren», so Boers.
Dabei sprechen die Forscher von Spontanbewährung. Das meiste regele sich von selbst, ohne Eingreifen der Strafjustiz. «Aber natürlich nicht ohne jegliche Eingriffe: Familien, Freundesgruppen, Schulen, oder Vereine leisten gerade auch beim Erlernen von Normen die primäre Arbeit», erklärte Boers.