Ukraine-Gespräche in Genf: Politisch geht die Schweiz leer aus

Simon Ulrich
Simon Ulrich

Genève,

Genf rückte am Wochenende einmal mehr ins Zentrum der Weltpolitik. Doch Experten zweifeln, dass die Schweiz damit ihre Rolle als Vermittlerin zurückerobert.

Ukraine-Gespräche
In Genf trafen sich am Sonntag die Delegationen der USA und der Ukraine, um über den von Trump vorgeschlagenen Friedensplan zu verhandeln. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Genf war erneut Schauplatz für Gespräche zum Ukrainekrieg mit westlichen Vertretern.
  • Andere Länder wie Katar, Saudi-Arabien und die Türkei konkurrieren um Vermittlerrollen.
  • Die Wahl Genfs lag laut Experten vor allem an Infrastruktur und Anbindung.
  • Die Vermittlerrolle der Schweiz sehen sie heute als geschwächt und wenig bedeutend.

Genf wurde am Sonntag ein weiteres Mal zur Bühne der Weltpolitik: Vertreter der Ukraine, seiner europäischen Verbündeten und der USA berieten über den umstrittenen 28-Punkte-Plan, der Russlands Angriffskrieg beenden soll.

Dass sich die Schweiz als Gastgeberin der heiklen Sondierungsgespräche präsentieren durfte, ist nicht selbstverständlich: Zuletzt sah es eher danach aus, als würden ihr andere Staaten den Rang im Geschäft der Guten Dienste ablaufen.

Andere Staaten drängen auf die Bühne

So profilierte sich Katar zuletzt bei der Rückführung ukrainischer Kinder aus Russland. Saudi-Arabien organisierte vertrauliche Gespräche mit sämtlichen Konfliktparteien – und zeigte, dass es diskrete Kanäle nach Moskau wie nach Kiew besitzt.

Die Türkei wiederum vermittelte sowohl bei Gefangenenaustauschen als auch beim Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine. Dabei nutzte sie ihre besondere Stellung als Nato-Mitglied mit intakten Beziehungen zu Putin.

Schliesslich hätte ein Gipfeltreffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin im Oktober in Ungarn stattfinden sollen, kam aber nicht zustande.

All diese Länder werben aktiv um die Rolle des unverzichtbaren Problemlösers – und machen der Schweiz damit gehörig Konkurrenz.

«Genf wurde wegen seiner Infrastruktur gewählt»

Und doch fiel die Wahl am Wochenende auf Genf. Daraus eine politische Bedeutung abzuleiten, wäre jedoch verfehlt, sagen Experten gegenüber Nau.ch.

Für den früheren Botschafter Daniel Woker ist die Entscheidung allem eine Frage der praktischen Voraussetzungen. «Dass Genf als Verhandlungsort bestimmt wurde, hat mit seiner guten Infrastruktur zu tun», sagt er.

So würden die ständige US-Vertretung und das Hotel Intercontinental über die geeigneten Räumlichkeiten für solche Spitzentreffen verfügen. Zudem verfüge die Stadt über eine internationale Anbindung – Faktoren, die für alle Delegationen den Ausschlag gegeben hätten.

Daniel Woker
Daniel Woker ist ehemaliger Botschafter der Schweiz in Australien, Singapur und Kuwait. - SRF

Osteuropa-Experte Ulrich Schmid verweist auf die lange Schweizer Tradition bei Guten Diensten. «Ausserdem gab es mit Lugano und der Bürgenstock-Konferenz schon zwei Vorgänger der Besprechungen in Genf», erklärt er.

Die Fachleute betonen: Bei den aktuellen Gesprächen war die Schweiz ausschliesslich für die Organisation zuständig. «Ihre Rolle reichte nicht über jene des Gastgebers hinaus», so Woker.

«Die aussenpolitische Situation der Schweiz ist prekär»

Skeptisch beurteilen die Experten die heutige Stellung der Eidgenossenschaft als Vermittlerin.

Woker sieht die Schweiz im globalen Umfeld kaum mehr als bevorzugte Ansprechpartnerin: «Die Konkurrenzsituation im Bereich der Guten Dienste war schon immer gross – und sie wird immer grösser.»

Entscheidend sei jeweils, welches Land in einem bestimmten Konflikt aufgrund seiner Beziehungen oder Einflusskanäle am besten geeignet sei.

Ulrich Schmid Uni Stgallen
Ulrich Schmid ist Professor für Osteuropastudien an der Universität St. Gallen. - keystone

«Das ist bei der Schweiz immer weniger der Fall. Weil wir nirgends dabei sind – nicht in der EU, nicht in der NATO. Das aber sind momentan die Strukturen, die international tätig sind und gefragt sind», sagt Woker.

Unverhohlen fügt der Ex-Diplomat an: «Die aussenpolitische Situation der Schweiz ist momentan prekär.»

Dazu kommt: Als direkte Vermittlerin im Ukraine-Krieg ist die Schweiz nach der Übernahme der Russland-Sanktionen ausgefallen. Seither stehe sie für Moskau auf der Liste der «feindlichen Staaten», erklärt Schmid.

Kaum politisches Kapital aus Gastgeberrolle

Die beiden Experten sind sich einig: Einen grossen Nutzen kann die Schweiz aus ihrer Gastgeberrolle nicht ziehen. «Sie hat dadurch sicher positiv gepunktet bei den USA. Allerdings sollte man die Wirkung dieses Einsatzes nicht überschätzen», sagt Schmid.

Woker sieht gar keinen unmittelbaren Gewinn. Die Sondierungsgespräche hätten politisch auf einer zu niedrigen Ebene gelegen, um nachhaltige Reputationseffekte zu erzeugen.

Glaubst du an einen baldigen Frieden in der Ukraine?

Ein anderes Kaliber wäre ein hochrangiges Treffen zwischen Washington und Moskau. Kommt Genf hierbei infrage?

Nein, glaubt Schmid: «Das ist praktisch ausgeschlossen. Ein solches Treffen wird wahrscheinlich in Doha oder Istanbul stattfinden.»

Woker zeigt sich nicht ganz so pessimistisch: Es sei möglich, dass ein Gipfel nach Genf komme – aber ebenso gut nach Wien oder anderswohin.

Dass Russland die Schweiz als «feindliches» Land einstuft, spiele dabei aber kaum eine Rolle, sagt der ehemalige Botschafter: «Das war bloss eine rhetorische Pirouette von Aussenminister Lawrow. Das muss man nicht ernst nehmen.»

Kommentare

User #3685 (nicht angemeldet)

Und, hat sie? Du bist wohl hinter dem Mond dahein?

User #5559 (nicht angemeldet)

Und wie immer > Ausser Spesen nichts gewesen

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