Tierschützerin ruft trotz Verbot zu Füttern der Tauben auf
Tauben sind vielerorts verhasst, weil sie Kot hinterlassen. Doch das müsste nicht so sein, sagen nun zwei Taubenfreundinnen.

Das Wichtigste in Kürze
- Eine Tierschützerin fordert trotz Verbot die Fütterung von Tauben.
- Stadttauben seien auf die menschliche Fütterung angewiesen.
- Die Lösung seien betreute Taubenschläge statt Verjagungsmethoden.
«Tauben-Plage im Bahnhof Luzern – jetzt greift SBB durch.»
So titelte Nau.ch kürzlich über eine Plakataktion, die Passantinnen und Passanten dazu bringen soll, die Vögel nicht mehr zu füttern.
Hintergrund: Rund um den Luzerner Bahnhof lebt ein grösserer Taubenschwarm. Mit dem Entzug der Futterquellen wollen die SBB und die Stadt Luzern das Kotproblem in den Griff kriegen.
Doch: Nicht alle sind einverstanden mit dieser Strategie.
Karin Lanz, Präsidentin von Stadttauben Basel, meldet sich nach der Veröffentlichung bei Nau.ch – und macht ihrem Ärger Luft: «Die Stadttaube ist ein verwahrlostes, meist ausgesetztes, nicht ein verwildertes Haustier.»
Und das bedeute: Die Taube könne sich eben nicht selbst versorgen. «Sie ist, wie jedes andere domestizierte Haustier, auf die Fütterung mit artgerechtem Futter angewiesen.»
Tatsächlich sind Stadttauben keine ursprünglichen Wildtiere. Sie stammen von der Felsentaube ab, wurden dann aber von Menschen als Zuchttauben oder Brieftauben weitergezüchtet.
Unterstützung bekommt Lanz von Nina Bachellerie, Vizepräsidentin von Stadttauben Schweiz.
«Auf Fütterung durch Menschen angewiesen»
Sie warnt eindringlich: «Als verwildertes Haustier ist die Stadttaube angewiesen auf eine Fütterung durch den Menschen. Da ihr die Standorttreue angezüchtet wurde, kann sie die Stadt nicht verlassen und muss sich daher von menschlichen Abfällen ernähren.»
Die Folge: sogenannter «Hungerkot» – weiss und flüssig.
Bachellerie ergänzt: «Wenn sie artgerecht gefüttert würden, also mit Körnern und Samen, hätte der Kot eine feste Konsistenz. Und könnte viel leichter beseitigt werden.»

Die Rechnung ist simpel: Für rund einen Franken im Monat und Tier (rund 40 Gramm Körnermischung pro Tag) liesse sich das Problem entschärfen. Lanz nennt Hirse, Mais, Buchweizen, Erbsen, Sojabohnen und Samen als geeignete Nahrung.
Doch: In vielen Städten gilt ein striktes Fütterungsverbot. Wer trotzdem füttert – ohne Bewilligung – riskiert eine saftige Busse.
Für Lanz ist das ein Skandal: «Das Verhungernlassen eines Haustiers bedeutet Tierquälerei!»
Und auch das Argument mit der Population lässt sie nicht gelten: «Das hat keinen Einfluss auf das Brutverhalten der Tiere.»
Tierschützerinnen fordern betreute Taubenschläge
Die Lösung? Betreute Taubenschläge, schlagen die beiden Frauen vor.
Lanz betont: «Fütterungsverbote sind kontraproduktiv, solange es keine betreuten Taubenschläge gibt.»
Bachellerie liefert das passende Modell gleich mit: «Es braucht also genügend Schläge mit artgerechter Fütterung, medizinischer Versorgung und Populationskontrolle.»
Die Eier müssten dabei rechtzeitig gegen Gips-Attrappen getauscht werden. So gebe es keine neuen Küken.
«Der grosse Vorteil solcher Schläge ist: Die Tauben sind nicht mehr überall in der Stadt unterwegs, weil sie kein Futter und keine Brutplätze mehr suchen müssen. Ergo gäbe es auch viel weniger Verschmutzung und Stress durch bettelnde Tauben.»
«Grausamer Tod in Kauf genommen»
Und was ist mit den anderen Methoden? Die, bei denen Tauben mit Spikes, Netzen und Gittern regelrecht aus den Städten verjagt werden sollen?
Lanz findet klare Worte: «Dabei werden lebenslanges Leid der Tauben durch Verstümmelungen und grausamer Tod in Kauf genommen.»
Auch Bachellerie verurteilt solche Massnahmen: «An Spikes können sich die Tiere schwer verletzen und in Netzen hängen bleiben. Sie verhungern dann entweder qualvoll oder verlieren ganze Gliedmassen aufgrund von Verschnürungen.»
Noch mehr Empörung gibt es, wenn von Tötungen die Rede ist. Die Stadt Luzern erklärte bei Nau.ch: «Oft steigt der Druck, Tauben einzufangen oder zu töten.» In Zürich wird das längst so praktiziert.
Bachellerie ist fassungslos: «Weil man nicht auf nachhaltige Lösungen setzt, bleibt auch das ‹Taubenproblem› bestehen. Als letzte, verzweifelte Massnahme greift man in Zürich dann zur Tötung. Statt wie Bern zum Beispiel auf betreute Taubenschläge zu setzen.»
Einst heilig, jetzt «Schädling»
Doch woher kommt eigentlich diese grosse Abneigung gegen ein Tier, das einst als heilig galt?
«Im Ursprung war und ist die Taube den Menschen heilig», sagt Lanz. «Sie ist das einzige Tier, das den Juden, den Christen und den Muslimen gleichermassen heilig ist.»

Doch dann kam der Absturz. 1966 beschimpfte Thomas B. Hoving, damaliger Leiter der städtischen Grünanlagen in Manhattan, die Tauben als «Ratten mit Flügeln».
Die Tiere seien die «hartnäckigsten Vandalen» und würden «unseren Efeu, unser Gras, unsere Blumen fressen und die Gesundheit bedrohen». Er habe gar eine «Säuberung» gefordert, um ein «besseres Publikum» in den Bryant Park zu locken.
Tauben sind «liebenswürdige Tiere»
Solche Aussagen wirkten bis heute nach. Lanz warnt: Tendenziöse Behauptungen wie «Tauben füttern ist Tierquälerei» würden dieses schlechte Narrativ immer weiter verbreiten.
Bachellerie ergänzt: «Die Taube hat einfach das grosse Pech, vom Menschen abhängig zu sein. Und dabei als einziges, verwildertes Haustier keinen Schutzstatus zu geniessen.»
Hätten sie diesen, würden die Taube nicht als «Schädling» gelten. «Sondern als das liebenswürdige, hilfsbedürftige Tier, das sie ist.»