Grosser Aufruhr an Genfer Schulen: Schülerinnen protestieren gegen einen «sexistischen» Dresscode. Sie erhalten Rückendeckung.
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Schülerinnen protestieren in Genf gegen den Dresscode an Mittel- und Sekundarschulen im Oktober 2020. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Genfer Schülerinnen protestieren wegen eines Dresscodes an Sekundar- und Mittelschulen.
  • Kleiden sie sich zu freizügig, müssen sie ein «T-Shirt der Schande» in Übergrösse tragen.
  • Rückendeckung erhalten die Schülerinnen von der obersten Lehrerin und einer Ständerätin.

«Erniedrigend» und «sexistisch»: So bezeichnen Genfer Schülerinnen den Dresscode, der an einigen Mittel- und Sekundarstufen gilt. Gestern Mittwoch protestierten sie mit Schildern und Unterwäsche vor dem Kollegium Pinchat. Unterstützung erhielten sie von Mitschülern und Eltern.

Kleiden sich Schülerinnen und Schüler unpassend, etwa bauch- oder schulterfrei, müssen sie unter anderem ein «T-Shirt der Schande» tragen, wie sie es selber nennen. Auf dem Shirt in Übergrosse, dass bis zu den Knien fällt, steht: «Ich bin angemessen gekleidet». Die Schülerinnen stören sich insbesondere daran, dass Mädchen von dieser Sanktion stärker betroffen seien.

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Schülerinnen protestieren in Genf gegen das «Shirt der Schande».
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Mädchen seien vom Dresscode ungleich stärker betroffen als Knaben, monieren die Schülerinnen.
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Die Schülerinnen und Schüler haben ein Protestschreiben an das Genfer Erziehungsdepartement geschickt.
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In einem Brief fordern sie, dass Bildungsdirektorin Anne Emery-Torracinta (SP) die Orientierungsschulen verpflichtet, diese «erniedrigende» Praxis aufzugeben.

Gemäss «SRF» werden freizügig gekleidete Schüler bereits seit sechs Jahren mit diesem T-Shirt sanktioniert.

Rückendeckung von Lehrer-Chefin und Ständerätin

Kleidervorschriften sorgen an Schulen immer wieder für Ärger. Darum hat der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH zuletzt 2016 eine Weisung an die Schulen herausgegeben, wie Präsidentin Dagmar Rösler auf Anfrage von Nau.ch erklärt.

Darin steht deutlich: Verboten werden darf nur Kleidung mit Menschen verachtenden, Gewalt verherrlichenden oder sexistischen Botschaften. Verbindliche Dresscodes hält der LCH für nicht notwendig. Das T-Shirt in Übergrösse «finde ich aber auch nicht angebracht», hält Rösler fest.

Rösler Coronavirus
Dagmar Rösler betont, dass die Schulen das Ansteckungsrisiko im Kampf gegen das Coronavirus zu verringern versuchen. (Archivbild) - Keystone

«Vielmehr sollte mit den Schülerinnen und Schülern besprochen und begründet werden, warum gewisse Kleidungsstücke in der Schule nicht akzeptiert werden können.»

Auch die Genfer Ständerätin Lisa Mazzone (Grüne) gibt den Schülerinnen Rückendeckung. «Ich missbillige die stigmatisierende Praxis, dass Schülerinnen ein solches T-Shirt öffentlich tragen müssen.» Insbesondere lehnt Mazzone die Sexualisierung der «Körper dieser jungen Frauen» ab. Damit werde signalisiert, «dass sie sich dafür schämen sollten und für gewalttätiges, männliches Verhalten verantwortlich sind».

Mazzone Grüne
Lisa Mazzone, Ständerätin Grüne, spricht während einer Debatte. - Keystone

Gerade im Schulalter sei es wichtig, dass Jugendliche «ihren Körper entdecken und lernen müssen, sich darin gut zu fühlen». Eine solche Praxis sei schädlich für die Entwicklung jugendlicher Mädchen und Jungen. Die Politikerin mahnt, «dass es in den Schulen dringend erforderlich ist, etwas über Selbstbestimmung und Einwilligung junger Männer und Frauen zu lernen».

Genfer Bildungsdirektorin gesteht «stigmatisierende» Praxis ein

Die Schüler haben ein Protestschreiben an die Genfer Bildungsdirektorin Anne Emery-Torracinta (SP) geschickt. Darin fordern sie, dass die «erniedrigende» Praxis aufgegeben wird.

Emery-Torracinta (SP) gesteht gegenüber «RTS», dass die T-Shirt-Praxis wohl «in der Tat nicht mehr zeitgemäss» und «stigmatisierend» sei. Hält aber daran fest, dass Schülerinnen und Schüler angemessen gekleidet zur Schule erscheinen.

Anne Emery-Torracinta
SP-Frau Anne Emery-Torracinta. - Keystone

Was das genau bedeutet, wird die linke Politikerin gemäss eigenen Angaben mit den Protest-Schülerinnen diskutieren und es an der nächsten Erziehungsdirektorenkonferenz der lateinischen Schweiz auf den Tisch bringen.

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