Strafrechtliche Landesverweisung eines Secondos wird gestattet
Das Wichtigste in Kürze
- Ein heute 40-Jähriger unter anderem wegen sexueller Handlungen mit einem Kind verurteilt.
- Dem Mann droht nun der Landesverweis.
- Er beschwerte sich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, bekam aber unrecht.
Die strafrechtliche Landesverweisung gegen einen in der Schweiz geborenen und aufgewachsenen Spanier verstösst nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg entschieden.
Der heute 40-Jährige wurde 2018 unter anderem wegen sexuellen Handlungen mit einem Kind zu einer bedingten zwölfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.
EGMR gibt Bundesgericht recht
Das Neuenburger Kantonsgericht sprach nach einer Berufung der Staatsanwaltschaft zusätzlich eine Landesverweisung für fünf Jahre aus. Das Bundesgericht bestätigte dieses Verdikt.
Der Betroffene gelangte an den EGMR. Er rügte eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 8 EMRK). Der Gerichtshof ist in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil zum Schluss gelangt, dass keine Konventionsverletzung vorliegt.
Der EGMR führt in seinem Entscheid aus, dass für die Landesverweisung unbestrittenermassen eine gesetzliche Grundlage bestehe. Artikel 66a des schweizerischen Strafgesetzbuches sehe bei gewissen Straftaten eine obligatorische Landesverweisung vor.
Aufgrund der Härtefallklausel bestehe aber kein Automatismus, da der jeweilige Entscheid einer gerichtlichen Kontrolle unterliege. Andernfalls wäre der Gesetzesartikel nicht mit Artikel 8 der EMRK vereinbar, schreibt der Gerichtshof.
Der EGMR stellt fest, dass die schweizerische Justiz sich eingehend mit den privaten Interessen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe. Wie aus dem Urteil hervorgeht, lebt der Mann seit seinem 15. Lebensjahr von der Sozialhilfe und konnte seine Lehre aufgrund eines Unfalls nicht abschliessen.
Die Heimat seiner Eltern kennt er von Ferienaufenthalten. Er spricht ein fehlerhaftes Spanisch und hat keine nahen Verwandten in Spanien. Seit Mitte 2019 hält er sich wieder dort auf. In der Schweiz pflegte er keine engen Kontakte zu seiner Mutter oder anderen Verwandten.
Nicht das erste Vergehen
Bereits vor seiner Verurteilung wegen sexuellen Handlungen mit Kindern wurde er drei Mal wegen geringfügigeren Delikten verurteilt. Im Zuge der letzten Strafuntersuchung wurden auf seinem Telefon zahlreiche Fotos von zehn- bis zwölf-jährigen Mädchen gefunden. Aus diesem Grund ging die Schweizer Justiz von einer Rückfallgefahr aus.
Das Bundesgericht habe aufgrund der privaten Umstände des Mannes zurecht geschlussfolgert, dass eine Landesverweisung den Artikel 8 EMRK verletze. Dies schrieb der Gerichtshof. Allerdings habe das höchste Schweizer Gericht das private Interesse des Beschwerdeführers sorgfältig mit dem öffentlichen Interesse an einer Landesverweisung abgewogen.
Dieses überwiege, weil die begangene Verletzung der sexuellen Integrität einer Person gravierend sei. Damit sei die Sicherheit und der Ordre public der Schweiz stark beeinträchtigt worden. Die Landesverweisung sei deshalb verhältnismässig.