Stadt Bern büsst Mann und Frau wegen Pappschild
Die Stadt Bern bestraft politische Aktionen vor Botschaften konsequent mit Bussen. Auch ein Pappschild reicht. Sie argumentiert mit der öffentlichen Sicherheit.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Stadt Bern geht im Botschaftsviertel strikt gegen politische Aktionen vor.
- Damit schränkt sie die Meinungsäusserungsfreiheit teilweise ein.
- Sie sieht bei Kundgebungen vor Botschaften ein erhöhtes Gefahrenpotenzial.
Am Mittwoch wehren sich ein Mann und eine Frau am Regionalgericht Bern-Mittelland gegen eine Busse von 150 beziehungsweise 350 Franken. Diese erhielten sie, weil sie Anfang 2022 nahe der britischen Botschaft ein Pappschild mit dem Text «Free Assange» hochgehalten hatten. Sie forderten die Freilassung des seit 2019 in Grossbritannien inhaftierten australischen Politaktivisten Julian Assange.
Die Bussen werden damit begründet, dass der Mann und die Frau für ihre «Demonstration» keine Bewilligung hatten. Eine Versammlung mit zwei Personen gilt also bereits als Kundgebung? Das ist möglich, weil die Definition im Berner Kundgebungsreglement nur schwach formuliert ist. Als Demonstrationen gelten «Veranstaltungen, welche einen ideellen Inhalt und eine Appellfunktion haben und von mehreren Personen getragen werden».
Es ist im Berner Botschaftsviertel nicht der einzige Fall von Repression, wie die «Berner Zeitung» berichtet. Im März 2022 verhinderte die Polizei die Übergabe von 15'000 Unterschriften an die russische Botschaft durch Amnesty International. Die Forderung war ein Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine. Die Kampagnenleiterin, Lisa Salza, wurde mit 300 Franken gebüsst.
Wird die Meinungsfreiheit verletzt?
Es stellt sich die Frage, ob die Stadt Bern damit die freie Meinungsäusserung verletzt. Schliesslich handelt es sich um ein Grundrecht, welches in Bundesverfassung und europäischer Menschenrechtskonvention festgeschrieben ist.
Einschränkungen sind nur in absoluten Ausnahmefällen vorgesehen. Beispielsweise zum Schutz der nationalen Sicherheit und diese war in beiden Fällen wohl kaum gefährdet. Im Berner Botschaftsviertel weht wohl einfach ein anderer Wind. Dies bestätigt auch die städtische Sicherheitsdirektion gegenüber der «Berner Zeitung».
«Vor Botschaften bieten Kundgebungen und Versammlungen ein erhöhtes Risikopotenzial. Die Vorgehensweise hat sich bewährt.» Sie sei in Zusammenarbeit mit der Kapo Bern und dem Eidgenössischen Aussendepartement (EDA) entwickelt worden.