St. Gallen: Freispruch von Hauptanklagepunkten gefordert
Über längere Zeit soll ein ehemaliger Gemeindeschreiber von St. Gallen Kontakt zu minderjährigen Mädchen gesucht haben. Er steht jetzt vor Gericht.

Das Wichtigste in Kürze
- In St. Gallen steht ein Ex-Gemeindeschreiber wegen Sexualdelikte vor Gericht.
- Er soll vermehrt über das Internet Kontakt zu minderjährigen Mädchen gesucht haben.
- Am schwersten wiegt aber der Vorwurf des Menschenhandels.
Ein früherer St. Galler Gemeindeschreiber soll über längere Zeit im Internet Kontakt zu minderjährigen Mädchen gesucht haben. Mit ihr wollte er angeblich seine sexuellen Fantasien ausleben und sie zu sexuellen Handlungen verleiten.
Am Mittwoch stand der 55-Jährige in St. Gallen vor Kreisgericht. Das Urteil folgt später. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen Pornografie, sexueller Handlungen mit einem Kind und versuchten Menschenhandels.
Gab sich als Sexualtherapeut heraus
Der ehemalige Gemeindeschreiber soll zwischen 2017 und 2019 mit über 20 minderjährigen Mädchen gechattet haben. Er gab sich dabei als «Sexualtherapeut Dr. Samuel Bürki» aus.
Er soll wiederholt unter 16-jährige Chat-Partnerinnen dazu verleitet haben, an sich selber sexuelle Handlungen vorzunehmen. Er soll auch pornografischer Bilder empfangen und verschickt haben. Zu direkten persönlichen Kontakten mit Opfern kam es nicht.
Am schwersten wiegt der Vorwurf des versuchten Menschenhandels: Laut Anklage nahm der Beschuldigte Kontakt zu einer Organisation auf. Er hatte dabei angeblich die Absicht, ein neunjähriges Mädchen für einige Stunden zu «mieten», um es sexuell auszubeuten. Dies sei «höchst menschenverachtend», betonte der Staatsanwalt.

Der Beschuldigte habe das moldawische Mädchen aus einem Katalog wie eine Ware bestellt und Anzahlungen von über 500 Franken geleistet. Zum geplanten Treffen mit dem Mädchen in einem Hotel bei Innsbruck kam es nicht. Der Gemeindeschreiber wurde nämlich im November 2019 an seinem Arbeitsplatz in Steinach SG festgenommen.
Das Ganze tue ihm «wahnsinnig leid», sagte der Beschuldigte in der Befragung durch die Gerichtspräsidentin. Er habe einen «Riesenfehler» gemacht. Er könne sich sein damaliges Verhalten nicht erklären. Er habe sich aber nie real mit einem der Mädchen treffen wollen, beteuerte er.
Er habe angenommen, dass sich in den Chats erwachsene Personen als angeblich minderjährige Mädchen ausgegeben hätten. Für ihn seien das alles «Rollenspiele» gewesen. Beim Kontakt mit der Organisation, die minderjährige Mädchen anbot, habe er nur ausprobieren wollen, «wie weit es geht».
Verteidiger fordert Geldstrafe
Der Verteidiger forderte Freisprüche in den Hauptanklagepunkten. Sein Mandant habe sich einzig der Pornografie schuldig gemacht. Er sei dafür mit einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 100 Franken zu bestrafen. Dies, bei einer Probezeit von zwei Jahren.
Der Verteidiger forderte für den Ex-Gemeindeschreiber Entschädigungen von über 40'000 Franken für die Kosten der Verteidigung. Und wegen ungerechtfertigter Untersuchungshaft von 52 Tagen. Zudem sei sein Mandant durch die Vorverurteilung in den Medien schwer in seiner Persönlichkeit verletzt worden.
Der Staatsanwaltschaft und der Polizei warf der Verteidiger schwere Fehler vor: etwa bei der Auswertung von Mobiltelefondaten mit Hilfe einer israelischen Spionage-Software. So hätten die Behörden dem Angeklagten fälschlicherweise vorgeworfen, er habe sich wiederholt ins WLAN eines Hotels bei Innsbruck eingeloggt.

Als die Untersuchungsbehörden den Fehler bemerkten, sei der Beschuldigte aus der U-Haft entlassen worden, sagte der Verteidiger. Das Vorgehen der Polizei sei «grob fahrlässig und inkompetent» gewesen. Der Staatsanwalt äusserte sich vor Gericht nicht zu dieser Kritik.
Zusätzlich zur vierjährigen Freiheitsstrafe forderte der Staatsanwalt für den Ex-Gemeindeschreiber eine bedingte Geldstrafe. Ebenso fordert er ein lebenslanges Verbot von Tätigkeiten, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfassen. Mit dem Tätigkeitsverbot zeigte sich der Beschuldigte einverstanden.
Die Verhaftung des ehemaligen Gemeindeschreibers machte im November 2019 schweizweit Schlagzeilen. Der Familienvater sass 52 Tage lang in Untersuchungshaft. Zur Festnahme war es durch Hinweise einer österreichischen Staatsanwaltschaft gekommen.