So werden ambulante Behandlungen ab 2026 abgerechnet

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Bern,

Ab 2026 werden neue Tarife und Pauschalen den veralteten Ärztetarif Tarmed für ambulante Leistungen ersetzen. Hier eine Übersicht.

Elisabeth Baume-Schneider
Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider. (Archivbild) - keystone

Ab 2026 rechnen Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Leistungserbringer ambulant erbrachte Leistungen mit neuen Tarifen und Pauschalen ab. Damit wird der veraltete Ärztetarif Tarmed abgelöst. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Paradigmenwechsel in der Übersicht:

WESHALB BRAUCHT ES EIN NEUES SYSTEM?

In der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) erstellen die Leistungserbringer – also etwa Ärztinnen und Ärzte und Spitäler – ihre Rechnungen nach Tarifen oder Preisen, die in Tarifverträgen zwischen den Tarifpartnern festgelegt wurden. Über die Tarifstruktur Tarmed werden seit zwanzig Jahren ambulante ärztliche Leistungen in Arztpraxen und im spitalambulanten Umfeld verrechnet.

Dabei wurde die ärztliche Grundversorgung tarifarisch benachteiligt, was sich am Ambulantisierungsgrad zeigt: Heute werden ambulante Eingriffe in der Schweiz deutlich seltener durchgeführt als in den Nachbarländern. Es herrscht Konsens darüber, dass der Tarmed veraltet ist. Trotzdem brauchte es jahrelange Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern, bis eine Nachfolgelösung gefunden werden konnte.

WAS HAT DER BUNDESRAT AM MITTWOCH ENTSCHIEDEN?

Er hat den ambulanten ärztlichen Einzelleistungstarif namens Tardoc und den ambulanten ärztlichen Patientenpauschaltarif definitiv genehmigt und per 1. Januar 2026 in Kraft gesetzt.

Die Einzelleistungstarifstruktur Tardoc basiert auf sogenannten Taxpunkten, also auf den hinterlegten, verrechenbaren Zeiten und Kosten für eine Leistung. Die Taxpunktwerte werden dabei kantonal festgelegt. Die vor allem in Spitälern anzuwendenden Patientenpauschaltarife basieren derweil auf schweizweit fixen Vergütungen für alle Leistungen.

WAS BRINGT DAS NEUE GESAMTTARIFSYSTEM?

Generell ermögliche Tardoc eine genauere Abrechnung der Konsultationsdauer als Tarmed. Und trage den Besonderheiten und Bedürfnissen der Hausarztmedizin besser Rechnung. Dies schrieb der Bundesrat.

Die Pauschalen wiederum vereinfachten die Rechnungsstellung und begrenzten die Anreize zur Erhöhung der abgerechneten Leistungsmengen. «Ich denke, das ist ein Meilenstein und ein Paradigmenwechsel», sagte Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider vor den Medien.

WELCHE FOLGEN HAT DAS FÜR DIE GESUNDHEITSKOSTEN?

Der Wechsel des Tarifsystems an sich darf nicht zu einer Kostensteigerung bei den ambulanten ärztlichen Leistungen führen, wie Baume-Schneider sagte. Zu diesem Zweck legte der Bundesrat für ambulante Leistungen eine Obergrenze von vier Prozent für die jährliche Zunahme der effektiven Gesamtkosten fest.

Wird diese Grenze überschritten, müssen die Tarifpartner Korrekturmassnahmen ergreifen. Die vier Prozent entsprechen dem Wachstum im ambulanten Bereich in den vergangenen Jahren plus dem erwarteten Bevölkerungswachstum. Der Bund appellierte an die Kantone, die Kostenneutralität nicht durch eine Anpassung der Taxpunktwerte zu umgehen. Die Kantone können darüber aber autonom entscheiden.

WIE KOMMT DAS NEUE MODELL AN?

Eine Allianz aus Fachgesellschaften, Privatspitälern und Pharmaunternehmen kritisiert gravierende Mängel an der beschlossenen Tarifstruktur. Diese stelle ein beträchtliches Risiko für sämtliche ambulanten Leistungserbringer dar, insbesondere aber für jene mit privater Trägerschaft.

Der Verband Interpharma warnt, dass der Einbezug von innovativen Medikamenten in die ambulanten Pauschalen dazu führen könnte, dass Patientinnen und Patienten mit den günstigsten und nicht mit den am besten geeigneten Medikamenten behandelt würden.

Er fordert bereits eine neue Version der Pauschalen. Die Stiftung für Konsumentenschutz fordert den Bund auf, alle Tarifstrukturen periodisch auf ihre Kostenrealität zu überprüfen. Zudem brauche es eine unabhängige Prüfstelle, welche die Plausibilität und Korrektheit aller Rechnungen garantiere.

WAS SAGT DER BUNDESRAT ZUR KRITIK?

Baume-Schneider räumte ein, dass das neue Tarifsystem nicht perfekt sei. Die Umstellung werde im Alltag anfänglich zu Verwerfungen führen. «Einige werden besser, andere weniger verdienen als bis anhin.»

Das sei gewollt. Baume-Schneider unterstrich, dass die Tarifpartner hinter dem Paradigmenwechsel stünden. Der Bundesrat sei bereit, allfällige Unzulänglichkeiten zu beseitigen. Es könne aber nicht alles zur Zufriedenheit aller getan werden.

WAS ÄNDERT SICH FÜR PATIENTINNEN UND PATIENTEN?

Nicht viel. Weil das System kostenneutral ausgestaltet ist, dürfte es unter dem Strich keine grundsätzlichen Veränderungen geben. Zu Beginn kann es aber zu Verzögerungen bei der Rechnungsstellung kommen.

«Es wird rumpeln», sagte Pierre Alain Schnegg, Berner Regierungsrat und Präsident der Organisation ambulante Arzttarife (OAAT AG). Laut den Behörden dürften die Arztrechnungen dafür übersichtlicher werden.

Die Drohung einzelner Leistungserbringer, gewisse Behandlungen nicht mehr in der Arztpraxis anbieten zu wollen, weil diese nicht mehr kostendeckend seien, nahm Baume-Schneider zur Kenntnis. Falls es so weit komme, sei dies jedoch nicht tolerierbar.

WIE LANGE BLEIBEN DIE NEUEN TARIFE IN KRAFT?

Die Genehmigung des neuen Tarifmodells ist für drei Jahre befristet. Bis dann sollen laut dem Bundesrat «die nach der Einführung des neuen Systems noch notwendigen Anpassungen» vorgenommen werden können.

Die neuen Tarifstrukturen sollen sich «stetig weiterentwickeln», sagte Baume-Schneider. Im Gegensatz zum heutigen Tarmed soll das neue System regelmässig an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Jedoch frühestens per Anfang 2027 und auch danach jeweils auf den Jahresbeginn.

Kommentare

User #1299 (nicht angemeldet)

Wenn EBS drauf steht vermute ich, dass wir am Schluss noch die grössere Zeche zahlen müssen

User #1947 (nicht angemeldet)

Ich bin ein Schwarznasenschaf.

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