Monogamie ist zwar nicht mehr die einzige Beziehungsform, doch weiterhin die Norm. Ändert sich das? Viele können sich Sex ausserhalb der Beziehung vorstellen.
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Sex nur mit einem Partner oder einer Partnerin ist längst nicht mehr die einzige Beziehungsoption. (Symbolbild) - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Laut einer Umfrage können sich viele junge Menschen eine offene Beziehung vorstellen.
  • In der Schweiz ist die Offenheit demgegenüber im Europa-Vergleich besonders gross.
  • Einige glauben, jeden Trend mitmachen zu müssen, um modern zu wirken, sagt eine Expertin.
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Lange war klar: Sex oder Liebe ausserhalb der Beziehung geht nicht. Das ist heute nicht mehr so – besonders die Generation Z ist nicht-monogamen Beziehungen zugeneigt.

Sex nur mit dem Partner oder der Partnerin ist zwar noch immer die Norm. Doch eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsunternehmens Yougov und des Seitensprung-Portals Ashley Madison zeigt: 51 Prozent der Schweizer Generation Z «wären bereit, eine nicht-monogame Beziehung einzugehen».

Im Europavergleich sind die jungen Schweizerinnen und Schweizer damit an der Spitze: Gleichauf liegt Spanien, höhere Prozentsätze haben nur die USA (57 Prozent), Mexiko (59 Prozent) und Brasilien (62 Prozent).

Wie aussagekräftig sind diese Zahlen wirklich – und was bedeuten sie? Hat die Monogamie in der Schweiz etwa bald ausgedient? Nau.ch hat bei der Basler Sexologin Melina Dobroka nachgefragt.

Dating-Apps machen Sex schneller verfügbar

Sie warnt, der Studie nicht zu viel Gewicht beizumessen. «Interessant ist, dass die Frage hypothetisch formuliert ist: ‹Wie interessiert wären Sie an einer offenen Beziehung?›» Dobroka kann sich vorstellen, dass viele zwar daran interessiert sind, aber nicht unbedingt, dass sie es auch wollen. «Und das scheint mir ein grosser Unterschied.»

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Melina Dobroka arbeitet in einer Praxis in Basel als Sexologin – dort begleitet sie Einzelpersonen und Paare «bei der lustvollen Entfaltung ihrer Sexualität». - zVg

Dass eine Fremdgeh-Webseite an der Umfrage beteiligt ist, könnte die Studie zudem «erheblich beeinflussen und verzerren», so die Expertin. «Gleichzeitig scheint auch dieses Forschungsinstitut suspekt», da es mit Geldanreizen arbeite. Ihr Fazit: Die Studie gebe zwar einen interessanten Einblick ins Beziehungsverhalten der Menschen, sei aber mit Vorsicht zu geniessen.

Könnten Sie sich eine nicht-monogame Beziehung vorstellen?

Aus der Luft gegriffen sind die Ergebnisse jedoch nicht. Tatsächlich gebe es verschiedene Einflussfaktoren, die bei der Gen Z einen Trend weg von Monogamie fördern. «Zum Beispiel Dating-Apps.» Wer Lust auf ein romantisches Date oder schnellen Sex hat, findet mit wenigen Klicks genau das, was er sucht.

«Diese Fülle an Möglichkeiten im Internet könnte einen Einfluss auf die Offenheit und das Verständnis von Beziehungen haben», sagt die Sexologin. Deshalb könnten Alternativen zur Monogamie bei den Jungen akzeptierter sein. «Es gibt aber immer noch viele Menschen, die zur Generation Z gehören und monogame Beziehungen bevorzugen.»

Einige «glauben, alles ausprobieren zu müssen», um «modern» zu scheinen

Auch ein Phänomen: Der Trend setzt einige unter Druck, eine offene Beziehung zu führen, obwohl sie sich nicht wohl dabei fühlen. «Es gibt bestimmt junge Menschen, die glauben, alles ausprobieren zu müssen, um frei und modern zu scheinen.»

Dabei wäre es laut Dobroka wichtig, sich nicht von Social Media und anderen Faktoren beeinflussen zu lassen. Besser sei es, nach eigenen Werten und Lebensvorstellungen zu leben.

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Die Generation Z ist offenen Beziehungen gegenüber nicht abgeneigt. (Symbolbild)
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Weltweit können sich laut einer Umfrage nur in drei Ländern mehr junge Menschen eine offene Beziehung vorstellen als in der Schweiz.
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Nahezu ein Drittel der jungen Erwachsenen aus der Umfrage glaubt, dass Finanzfragen vor dem Beginn einer ernsthaften Beziehung geklärt werden sollten.

Das ist jedoch einfacher gesagt als getan, wie sie feststellt: «Ich begegne oft jungen Menschen, die offene Beziehungen haben wollen, weil sie in ihrer aktuellen Lebensphase Schwierigkeiten haben. Es scheint teilweise wie eine Art Flucht vor der aktuellen Beziehungsrealität.»

Zu Beginn erscheine das vielleicht verlockend. «Doch es bringt neue Probleme und Herausforderungen mit sich – offene Beziehungen sind auf keinen Fall einfacher als monogame.» Trends seien aber auch immer eine Möglichkeit, Dinge auszuprobieren. «Dadurch hat man die Wahl, sich dafür oder dagegen zu entscheiden.»

Sex mit nur einer Person bleibt «in»

Dass offene Beziehungen bald monogame im gesamtschweizerischen Beliebtheitsranking überholen, glaubt die Sexologin nicht. «Die meisten Menschen in der Schweiz leben monogam. Bei vielen ist das Idealbild von Liebe mit Monogamie verknüpft», gibt sie zu bedenken.

Das werde auch von vielen romantischen Bildern aus Filmen und Geschichten widerspiegelt. «Und das beeinflusst sicherlich auch viele, monogam zu leben, obwohl sie dieses Beziehungsmodell nicht kritisch hinterfragt haben.»

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