Simon Hitzinger ist mit 17 Jahren schwer verunfallt – seither ist er querschnittgelähmt. Bei Nau.ch spricht er über das Tabu-Thema Sex im Rollstuhl.
Simon Hitzinger
Simon Hitzinger sitzt im Rollstuhl – und will Fussgängerinnen und Fussgänger die Berührungsängste nehmen. - Paraplegiker-Gruppe

Das Wichtigste in Kürze

  • Simon Hitzinger spricht bei Nau.ch offen über Sexualität im Rollstuhl.
  • Er beobachtet, dass viele Fussgängerinnen und Fussgänger noch Berührungsängste haben.
  • Die will er ihnen mit seiner Offenheit nehmen. Er findet, es werde zu wenig geredet.
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Am 1. Mai 2011 hat sich das Leben von Simon Hitzinger (30) für immer verändert. Bei einer Party stürzte der damals 17-Jährige von einem Balkon zwölf Meter in die Tiefe. Erinnerungen an den Unfall hat er nicht – die Folgen begleiten ihn aber noch immer: Der junge Basler ist querschnittgelähmt.

Heute ist es ihm wichtig, offen über seine Erfahrungen zu sprechen und damit Barrieren abzubauen, wie er sagt. Denn: «Fussgänger haben noch viele Berührungsängste.»

Ein Thema, bei dem das besonders zutrifft, ist Sex. «Dabei interessiert das die Menschen sehr. Im Ausgang fragen mich Betrunkene oft, ob ich noch Sex haben kann.»

«Alles möglich, das man im Sitzen oder Liegen tun kann»

Eine Frage, die Hitzinger gerne beantwortet – «je nachdem, in welchem Ton sie gestellt wird natürlich», schmunzelt er.

«Bei vielen ist eigentlich alles möglich, das man im Sitzen oder Liegen tun kann. Aber klar, einige Stellungen gehen nicht», sagt er zu Nau.ch.

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Simon Hitzinger sitzt seit einem schweren Unfall im Rollstuhl.
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Der 29-jährige stürzte im Jahr 2011 hier, im alten Kinderspital in Basel, vom Balkon und wurde lebensbedrohlich verletzt.
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Heute ist es ihm wichtig, offen über seine Erfahrungen zu sprechen und damit Barrieren abzubauen, wie er sagt.

Man müsse ein wenig kreativ sein. «Zum Beispiel die Reiterstellung geht gut, oder die Löffelchenstellung. Es muss auch nicht alles im Bett sein – es geht auch auf dem Stuhl oder dem Sofa.»

Schwierig sei es aber, zum Orgasmus zu kommen. «Dieses erlösende Gefühl spüre ich nicht», erklärt er. «Man könnte von einem Orgasmus im Kopf sprechen, denn gedanklich ist das Gefühl intensiver. Aber körperlich bleibt der Höhepunkt aus.»

Auch die Erektion sei nicht immer so, wie er es sich wünschte. «Das liegt daran, dass sie nicht mehr so gut mit den Gedanken gekoppelt ist.» Da helfen aber Medikamente, sagt Hitzinger.

«Einige haben das Gefühl, dass sie etwas falsch machen könnten»

«Mein Sexleben war früher befriedigender, aber auch heute kann ich gut damit leben.» Besonders am Anfang sei ihm vieles nicht leicht gefallen. «Ich musste alles neu lernen, herausfinden, was ich spüre und was nicht.»

Seinen Oberkörper kann er uneingeschränkt nutzen. «Es gibt aber auch Leute, die spüren auch ihre Arme nicht mehr. So ist nicht einmal mehr Selbstbefriedigung möglich.»

Sprechen Sie offen über Sex?

Hitzinger hatte «das Glück, dass ich direkt nach dem Unfall eine Freundin hatte. So konnten wir zusammen in aller Ruhe Dinge ausprobieren.»

Dennoch: Dass beim Sex nicht alles geht wie bei einem Fussgänger, ist auch für seine Sexualpartnerinnen nicht immer einfach. «Einige sind unsicher und haben das Gefühl, dass sie etwas falsch machen könnten.»

Da seien offene Gespräche nötig. Aber für den jungen Basler gar kein Problem: «Eigentlich sollte man ja auch als Fussgänger vor dem Sex darüber reden, was man mag und was nicht. Gerade Frauen erzählen mir oft, dass sie das wertschätzen.»

«Beim Thema Sex geht es hauptsächlich um Liebe und Respekt»

Reden nehme auch die Angst – das geschieht aber zu wenig, findet Simon Hitzinger. «In der Rehabilitation wird das Thema Sex vom Urologen angesprochen. Aber es sollte mehr Ansprechpersonen mit ähnlichen Erfahrungen geben.» Darum leistet er selbst Aufklärungsarbeit bei der Schweizer Paraplegiker-Gruppe.

«Wichtig ist: Beim Thema Sex geht es hauptsächlich um Liebe und Respekt – unabhängig von körperlichen und psychischen Einschränkungen.»

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