Bundesrätin Viola Amherd will ethische Aspekte im Schweizerischen Turnverband stärker gewichten. Verantwortliche hätten zu lange weggesehen.
Viola Amherd
Bundesrätin Viola Amherd. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/ANTHONY ANEX
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Das Wichtigste in Kürze

  • Bundesrätin Viola Amherd will der Ethik in der Sportförderung mehr Gewicht einräumen.
  • Im Turnverband herrsche in gewissen Bereichen eine Kultur der Angst, sagt sie.
  • Der Bericht des «Magazin», in welchem Ehemalige schwere Vorwürfe erhoben, beschäftige sie.

Die Missstände bei den Turnerinnen im Leistungszentrum Magglingen haben Bundesrätin Viola Amherd erschüttert. Der Fokus im Sport dürfe nicht allein auf Medaillen liegen. Bei der Sportförderung sollen künftig ethische Aspekte ein grösseres Gewicht erhalten.

Im Leistungszentrum des Schweizerischen Turnverbandes seien Mädchen und junge Frauen erniedrigt und in ihrer Würde angegriffen worden. Das habe sie sehr beschäftigt, sagte Amherd in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen.

Viola Amherd  Schweizerischer Turnverband
Bundesrätin Viola Amherd ist die Chefin des eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). - keystone

Es habe sie erstaunt, dass die Frauen sich erst dann getraut hätten, als sie nicht mehr aktiv gewesen seien. Im Schweizerischen Turnverband herrsche in gewissen Bereichen eine «Kultur der Angst». Das sei nicht tolerierbar.

Viola Amherd begrüsst Rücktritte im Schweizerischen Turnverband

«Da müssen wir grundlegend über die Bücher», sagte Amherd weiter. Es gehe nicht an, dass auf Kinder und junge Menschen in der Pubertät so unglaublich viel Druck ausgeübt werde. Dass sie total verunsichert seien und kein Selbstvertrauen mehr hätten.

Die Verantwortlichen in den Sportverbänden und in der Politik hätten zu lange weggesehen. Die jüngsten Rücktritte im Turnverband begrüsse sie explizit. Ein Neuanfang könne nicht mit Leuten bestritten werden, die für die Missstände verantwortlich seien.

Magglingen
Spitzensportler können die Trainings- und Ausbildungsmöglichkeiten in Magglingen (BE) zur Erreichung von Höchstleistungen benutzen. - sda

Nicht Medaillen allein dürften Gradmesser für sportliche Leistungen sein, sondern auch die Ethik. Bei der Verteilung der Fördergelder müssten künftig ethische Vorgaben mitspielen. Sonst bestehe das Risiko, dass die Kultur und das Fehlverhalten andauerten.

Es gebe bereits eine Ethik-Charta zwischen Swiss Olympic und den verschiedenen Sportverbänden. Das reiche aber offensichtlich nicht. Die Politik müsse die Sportverbände enger begleiten und überprüfen, ob die Charta im Alltag auch angewendet werde.

Viola Amherd will Turnverband keine Mittel entziehen

Falls das nicht der Fall sei, müsse der Staat intervenieren und sanktionieren. Dazu fehlten momentan aber die Instrumente. Vorerst will Amherd dem Turnverband zwar keine Mittel entziehen, um nicht Tausende junge Turnerinnen und Turner zu bestrafen.

Bei einem nächsten Fall seien die finanziellen Folgen aber naheliegend. Es scheine, als sei Geld die einzige Sprache, die einige Verantwortliche verstünden, sagte die Sportministerin.

Acht ehemalige Spitzen-Turnerinnen hatten vor zwei Wochen in einem Bericht des «Magazins» die Trainings- und Umgangsmethoden in Magglingen angeprangert. Dabei hatten sie auch schwere Vorwürfe gegen Nationaltrainer Fabien Martin erhoben. Sie berichteten von einer Angstkultur im Sportzentrum und psychischem Missbrauch.

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