Schweizerische Literatur: Neuerscheinungen im September 2025
Die Nachrichtenagentur Keystone-SDA hat eine Auswahl neuer Werke getroffen, die im September voraussichtlich im Fokus der öffentlichen Diskussion stehen werden.

Prosa, Spoken Word, Essay oder Lyrik von Schweizer Autorinnen und Autoren sowie von Schreibenden, die in der Schweiz leben: Die Nachrichtenagentur Keystone-SDA hat neue Werke ausgewählt, die im September für Gesprächsstoff sorgen werden.
Nelio Biedermann: «Lázár». Roman. Rowohlt Berlin, 336 Seiten. (Erscheint am 01. September)
Nelio Biedermann ist gerade einmal 21 Jahre alt und veröffentlicht mit «Lázár» bereits seinen zweiten Roman. Zudem ist bereits vor der Veröffentlichung klar, dass «Lázár» in über zwanzig Ländern erscheinen wird. Biedermann selber studiert zur Zeit Germanistik und Filmwissenschaften in Zürich. Seine Familie väterlicherseits stammt aus ungarischem Adel, die Grosseltern kamen in den 1950er-Jahren in die Schweiz.
Für «Lázár» hat er daraus geschöpft. Der Roman verknüpft die Geschichte einer ungarischen Adelsfamilie mit den politischen Verhältnissen des 20. Jahrhunderts. Letztlich geht «Lázár» der Frage nach, wie man leben soll, angesichts historischer Katastrophen oder schöner Sommertage.
Franziska Meister: «Der Geruch von Lehm». Roman. Zeitkind Verlag, 256 Seiten. (Erscheint am 01. September)
Paul, Dominik und Florence sind über den Tod von Joshua miteinander verbunden. Der wurde erstochen in Zürich aufgefunden. Paul war dabei, als Joshua starb, kann sich aber an nichts erinnern. Er klammert sich an seinen alten Studienfreund Dominik, der jedoch auf seine Karriere fixiert ist.
Und Florence, die Schwester von Joshua, ist überfordert. Alle drei stehen vor biografischen Abgründen, die sie längst überwunden glaubten. Im Roman «Der Geruch von Lehm» geht es um Freundschaft, deren Fragilität und um Verlässlichkeit. Themen, wie medizinische Verantwortung oder Psychologie spielen eine Rolle im literarischen Debüt der Historikerin und «WOZ»-Journalistin Franziska Meister.
Iris Keller: «Walwerdung». Roman. Geparden, 210 Seiten. (Erscheint am 04. September)
In ihrem Debütroman richtet die Regisseurin, Autorin und Performerin Iris Keller ihren feministisch-kritischen Blick auf den Prozess des Mutterwerdens. Schwangerschaft und Geburt verändern alles: den Körper der Frau, die Beziehung des Paares, die Position in der Berufswelt. Eigentlich hätte es eine natürliche Geburt werden sollen; doch dann wird die Mutter zum Wal, das Kind will nicht geboren werden und der Vater ist überfordert.
Das Bild vom Wal verweist auf das Spannungsfeld zwischen der Grazie der Meeresgiganten und ihrer von der Ausrottung bedrohten Existenz. Auch wenn ein Kind geboren wird, stellt sich die Frage nach dem «warum eigentlich» angesichts bedrohter Natur und schwindender Zukunftsperspektiven.
Elisa Shua Dusapin: «Damals waren wir unzertrennlich». Roman. Kein & Aber, 144 Seiten. (Erscheint am 08. September)
«Damals waren wir unzertrennlich» erzählt von zwei Schwestern, die nach 15 Jahren wieder aufeinandertreffen. Nach dem Tod des Vaters räumen sie gemeinsam das Elternhaus und lernen dabei einander neu kennen. Der Roman ist 2023 im Original unter dem Titel «Le vieil incendie» erschienen. Es ist der vierte von Elisa Shua Dusapin.
Die Tochter eines Franzosen und einer Südkoreanerin ist unter anderem in Pruntrut im Jura aufgewachsen. Für ihr Debüt «Ein Winter in Sokcho» wurde sie unter anderem mit dem National Book Award for Translated Literature geehrt. Zuletzt veröffentlichte sie die Graphic Novel «Le colibri», für die sie 2023 den Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis erhielt.
Nora Gomringer: «Am Meerschwein übt das Kind den Tod». Voland & Quist, 160 Seiten. (Erscheint am 15. September)
Die deutsch-schweizerische Autorin Nora Gominger hat sich bis anhin vor allem als Lyrikerin und in der Poetry-Slam-Szene einen Namen gemacht. Seitdem sie 2015 den Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen hat, spielte sie mit dem Gedanken, einen Roman zu schreiben. Ob ein solcher nun mit «Am Meerschwein übt das Kind den Tod» vorliegt, ist offen. «Ein Nachrough», heisst es auf dem Buchcover.
Und in der Ankündigung des Verlags steht: «Ich schreibe über meine mannigfaltige Mutter, ihre Weisheit und Komik, ihren Mann, die Sache mit den Meerschweinchen und mich.» Die Mutter der Autorin war die Germanstin Nortrud Gomringer; sie ist 2020 gestorben.
Pascale Kramer: «Die Nachsichtigen». Roman. Atlantis Literatur, 240 Seiten. (Erscheint am 16. September)
In ihrem Roman «Die Nachsichtigen» blendet Pascale Kramer zurück ins Jahr 1977. Die 13-jährige Clémence trifft auf ihren Onkel, den Frauenheld Vincent. Fünf Jahre später wird sie seine Geliebte – und die Familie gerät in Aufruhr. Doch die Vorwürfe richten sich vor allem gegen Clémence, während andere Frauen in der Familie Vincent jeden Seitensprung verzeihen oder die schützende Hand über ihn halten.
In ihrem Roman, der 2023 im französischsprachigen Original erschienen ist, erkundet die Autorin weibliches Begehren und, wie der Titel sagt, Nachsichtigkeit gegenüber Männern, die heute wegen Missbrauch oder Vergewaltigung vor Gericht stünden. Pascale Kramer wurde 2017 mit dem Grand Prix Literatur ausgezeichnet.
Giuliano da Empoli: «Die Stunde der Raubtiere. Macht und Gewalt der neuen Fürsten». Essay. C. H. Beck, 127 Seite. (Erscheint am 18. September)
Mit seinem Romandebüt «Der Magier im Kreml» («Le mage du Kremlin», 2022) hat der Wissenschaftler und Politberater Giuliano da Empoli für Furore gesorgt. Mit seinem Essay «Die Stunde der Raubtiere» ist er nun zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Als illusionsloser Analytiker der Macht nimmt er Autokraten von Trump bis zum saudischen Kronprinzen als auch die Tech-Lords des Silicon Valley unter die Lupe, deren Herrschaftsmittel Grausamkeit, Hinterlist und das Stiften von Chaos ist.
Sein Fazit: Die Stunde der Raubtiere sei gekommen. Dabei stellt er die Frage, ob und wie wir dieser Brutalität und Gier entrinnen können.
Malwina Ledniowska: «Keine Sorge alles gut». Roman. Verlag die Brotsuppe, 204 Seiten. (Erscheint am 18. September)
In ihrem Debütroman begleitet Malwina Ledniowska die Pflegefachfrau Romi Weber durch eine Nachtschicht in einer psychiatrischen Klinik. Als Romi ihren Dienst antritt, wird sie mit der Nachricht konfrontiert, das sich eine Patientin tags zuvor das Leben genommen hat. Die Frage, ob sie etwas übersehen hat, begleitet Romi die ganze Nacht. Dabei erlebt sie das rasende Tempo einer ganz normalen Schicht auf der Psychiatrie-Station.
Für diese Geschichte hat sich die Autorin, die am Literaturinstitut in Biel studiert hat, einen besonderen Kniff ausgedacht. Denn das 200 Jahre alte Haus, in dem die Station untergebracht ist, erzählt den dramatischen Verlauf. Diese besondere Erzählstimme kommentiert das Geschehen mit ironischem Augenzwinkern.
Barbara Lutz: «Wo wir hingehören». Roman. Limmat Verlag, 200 Seiten. (Erscheint am 18. September)
Als Kleinkinder wurden Angelika und ihr kleiner Bruder mit gefälschten Pässen in die Schweiz gebracht; 1947 wurden sie nach Österreich ausgewiesen. Im Vorarlberg wachsen sie bei Pflegeeltern auf einem Hof mit einem Laden auf. Woher sie eigentlich kommen, darüber schweigen die Pflegeeltern. Als Erwachsene wird Angelika zur Zuschauerin ihres eigenen Lebens, das sich nie wirklich richtig anfühlt.
Sie hadert mit den Erwartungen, die an Frauen in den 1950er- und 60er-Jahren gerichtet werden. Vergänglichkeit und die Suche einer Frau nach ihrem Platz in der Welt sind die zentralen Themen des Romans «Wo wir hingehören». Die Autorin Barbara Lutz wurde in Vorarlberg geboren, lebt heute in Bern und arbeitet in der Entwicklungszusammenarbeit und im Migrationsbereich.
Endo Anaconda: «Im Gespinst in dem ich wohne. Schlaflieder. Liebesgedichte. Seuchentexte». Der gesunde Menschenversand, 120 Seiten. (Erscheint am 30. September)
Endo Anaconda (1955-2022) gilt als prägend für die Schweizer Musik- und Kulturszene. Mit seiner Band Stiller Has war er über Jahrzehnte auf Tour und veröffentlichte unzählige Alben. Zu seinen Auszeichnungen gehören der Salzburger Stier oder der Schweizer Musikpreis. Vor diesem Hintergrund war Anaconda zweifelsohne auch Dichter.
Er steht für eine Lyrik, die ähnlich unbändig und sprachrhythmisch ist, wie seine Songs. Der Band «Im Gespinst in dem ich wohne» versammelt nun Texte, an denen er bis zum Schluss gearbeitet hat, sowie Gedichte, auch auf Hochdeutsch, aus seinem Nachlass. Sie handeln von Einsamkeit und Liebe, von Weltwut, seinen zwei Heimaten Schweiz und Österreich und von Sprache. In bester Anaconda'scher Manier strotzen sie vor Humor und Sprachwitz.
Weitere:
Michael Fehr: «raw music». Libretto zum Bühnenprogramm. Der gesunde Menschenversand, 48 Seiten. (Erscheint am 01. September)
Franziska Löpfe: «fremd und vertraut. Eine Jugend in den 60er Jahren». Roman. Verlag die Brotsuppe, 220 Seiten (Erscheint am 01. September)
Islème Sassi: «Von jenen, die jagen». Roman. Zeitkind Verlag, 168 Seiten. (Erscheint am 01. September)
Thomas Pfenninger: «Die noch leben». Roman. Kommode, 276 Seiten. (Erscheint am 02. September)
Hanspeter Künzler: «Das Wetter zwischen Jukebox und Theke». Erzählungen. Geparden, 284 Seiten. (Erscheint am 04. September)
Quentin Mouron: «#tod_in_venedig». Roman. Bilger Verlag, 172 Seiten. (Erscheint am 13. September)
Christoph Simon: «Die geschenkte Leiche. Ein Gertsch Krimi». Atlantis Krimi, 176 Seiten. (Erscheint am 16. September)
Hannes Binder: «Glauser in Nervi». Graphic Novel. Limmat Verlag, 48 Seiten. (Erscheint am 18. September)