Schreckt Ex-Bundeskanzler vom Bundesrats-Job ab?

Bettina Zanni
Bettina Zanni

Bern,

Die Suche nach Kandidierenden für den Bundesrat verläuft jeweils harzig. Jetzt giesst der ehemalige Bundeskanzler Walter Thurnherr mit einem Buch Öl ins Feuer.

Bundesrat
Walter Thurnherr auf dem Bundesratsfoto 2023 neben Elisabeth Baume-Schneider, Albert Rösti, Karin Keller-Sutter, Viola Amherd, Guy Parmelin, Alain Berset und Ignazio Cassis (von rechts nach - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Mancher Kandidat könne sich glücklich schätzen, nie Bundesrat geworden zu sein.
  • Dies schreibt der ehemalige Bundeskanzler Walter Thurnherr in seinem neuen Buch.
  • «Nicht so geschickt», findet Kommunikationsexperte Stefan Häseli.

Nach dem Rücktritt der Bundesrätinnen und Bundesräte begann der Kampf. Allerdings nicht jener um die freiwerdenden Sitze.

Zu kämpfen hatten die Parteien – mit der Suche nach Kandidierenden.

Bundesrat
Der ehemalige Bundeskanzler Walter Thurnherr weiss, was es heisst, Bundesrat zu sein. In seinem Buch nimmt er kein Blatt vor den Mund. - keystone

Als Verteidigungsministerin Viola Amherd zurücktrat, hagelte es bei der Mitte-Partei Absagen. Abgesehen von Mitte-Nationalrat Markus Ritter hatten mehrere Favoritinnen und Favoriten aus dem nationalen Parlament keine Lust auf das hohe Amt.

Ein Zweierticket kam doch noch zustande, als der Zuger Regierungsrat und heutige Armeechef Martin Pfister in die Bresche sprang.

Amt erfordere viel Kraft

Bundesrätin – nein danke, hiess es auch 2022 bei vielen Favoritinnen. Damals trat die SP bei den Wahlen zur Nachfolge von Simonetta Sommaruga mit einem reinen Frauenticket an.

Ausgerechnet der ehemalige Bundeskanzler Walter Thurnherr giesst in der Debatte um die Attraktivität des Bundesratsamts jetzt Öl ins Feuer.

Wärst du gerne Bundesrätin oder Bundesrat?

Knapp zwei Jahre nach seinem Rücktritt hat er das Buch «Wie der Bundesrat die Schweiz regiert» veröffentlicht.

Bundesrat sein sei noch schwieriger als Bundesrat werden, schreibt er darin. «Und mancher Kandidat kann sich glücklich schätzen, dass er es nie geworden ist.»

Das Amt erfordert viel Können, viel Kraft, viel Arbeit, viel Glück, viel Geduld und einen breiten Rücken. Klingt nicht gerade verlockend, oder?

Bundesratswahlen: «Sicher nicht hilfreich»

Kommunikationsexperte Stefan Häseli beurteilt die Aussagen des ehemaligen Bundeskanzlers im Hinblick auf Bundesratswahlen als «nicht so geschickt».

«Diese Textstelle im Buch ist sicher nicht hilfreich», sagt er zu Nau.ch. Diese befeuere genau die Befürchtungen und die Skepsis einzelner weiter. «Wer zweifelt, kann sich hier vielleicht tatsächlich bestätigt fühlen.»

Bundesrat
Kommunikationsexperte Stefan Häseli sieht bei den Formulierungen im Buch Verbesserungspotenzial. - stefan-haeseli.com

Eine positive Formulierung hält Häseli für «mindestens so zutreffend». Als Beispiel schlägt er eine Aussage wie «Bundesräte finden praktisch alle ihre Faszination» vor.

Schliesslich haben noch nie ein amtierendes oder zurückgetretenes Mitglied der Landesregierung sein Amt bereut, sagt er. «Alle bestätigen mehr oder weniger offen, dass das Amt eine hohe Faszination ausübe.»

Parteien müssten Hausaufgaben ernst nehmen

Die Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats stehen 2027 an. Gut möglich ist, dass die Sitze der langjährigen Bundesräte Guy Parmelin (SVP) und Ignazio Cassis frei werden.

Stefan Häseli war selbst politisch tätig, er amtete einst als Präsident der St. Galler CVP Gossau-Arnegg.

Er sagt: Bei vielen Parlamentarierinnen und Parlamentariern bleibe das Ziel, «einmal zu einem dieser Sieben zu gehören». Dabei handle es sich um ein «natürlich nie offen eingestandenes Ziel».

Daher mache er sich keine Sorgen über mangelnde Kandidierende, sagt Häseli. «Aber die Parteien müssen hier halt tatsächlich auch ihre Hausaufgaben in Form von Karriereplanungen ernst oder ernster nehmen.»

«Ehrlichkeit schadet nie»

Mitte-Chef Philipp Matthias Bregy lobt Walter Thurnherrs Aussagen im Buch. «Er unterstreicht damit deutlich, wie vielseitig anspruchsvoll das Amt als Bundesrat ist», sagt er auf Anfrage.

Auch zeige er, dass es neben grossen Fähigkeiten auch Glück brauche. «Es ist die ehrliche Darstellung aus einer kompetenten Innensicht heraus.»

Bregy sagt: «Ehrlichkeit schadet nie, schon gar nicht für die Besetzung der wichtigsten politischen Ämter des Landes.»

Die Mitte präsentierte der Bundesratsversammlung laut Bregy zwei hervorragende Kandidaten. Die Bundesräte würden der Schweiz nicht ausgehen. «Aber sie können jetzt als Vorbereitung ihrer Kandidatur immerhin das Buch von Walter Thurnheer lesen.»

«Permanenter Druck»

FDP-Fraktionspräsident Damien Cottier war mehrere Jahre persönlicher Mitarbeiter des ehemaligen Bundesrats Didier Burkhalter.

Den Einschätzungen von Walter Thurnherr stimmt er im Wesentlichen zu. «Die Arbeit ist sehr intensiv und komplex und es besteht ein permanenter Druck», sagt Cottier zu Nau.ch.

Er hofft, dass sich Interessierte vertieft mit dem Amt auseinandersetzen, bevor sie ihre Kandidatur lancieren. «Indem sie sich fragen, ob sie die Fähigkeit und den Willen haben, diese Verantwortung zu tragen.» Dies sei bereits der Fall, wie Absagen teilweise sogar von Favoriten zeigten.

Der Fraktionspräsident rechnet auch bei den nächsten Bundesratswahlen mit genügend geeigneten Kandidierenden. «Die FDP verfügt über einen Pool zahlreicher potenzieller und erfahrener Kandidatinnen und Kandidaten.»

«Einige Departemente schlicht zu gross»

SP-Co-Präsident Cédric Wermuth teilt die Einschätzungen des Ex-Bundeskanzlers. Er weist darauf hin, dass das Bundesratsamt sehr anspruchsvoll und der Druck gewachsen sei. «Dass er darauf hinweist, ist richtig.»

Er und Co-Präsidentin Mattea Meyer stellten aber fest, dass sich die Kandidierenden dessen durchaus bewusst seien.

«Wir erleben bei uns immer noch ein grosses Engagement unserer Bundesräte, da sie wirklich auch Dinge bewegen können.»

Wermuth macht darauf aufmerksam, dass sich die SP aber immer für eine Erweiterung des Bundesrates auf neun Personen ausgesprochen habe. «Heute sind einige Departemente schlicht zu gross.»

Grünen-Chefin sieht Amt als Privileg

Die Grünen träumen schon lange von einem Sitz im Bundesrat.

Grünen-Chefin Lisa Mazzone sagt zu Nau.ch: «Ein Amt wie das Bundesratsamt mit einer derart grossen Verantwortung ist selbstverständlich mit viel Druck verbunden.»

Gleichzeitig gebe es eine riesige Gestaltungsmöglichkeit. «Das macht das Amt so spannend. Es ist ein grosses Privileg, Verantwortung für unsere Zukunft zu übernehmen.»

Aber das Amt sei nicht für alle gemacht, sagt Mazzone. «Die Menschen, die sich dafür bewerben, wissen in der Regel, was auf sie zukommt. Wenn es nicht der Fall wäre, wäre es wichtig, dass sie es früh genug erfahren.»

Walter Thurnherr kommentiert die Passagen in seinem Buch auf Anfrage nicht weiter. «Was die nächsten Bundesratswahlen betrifft: Ich bin da zuversichtlich», gibt er sich gegenüber Nau.ch knapp.

Kommentare

User #6276 (nicht angemeldet)

Egal solange es genug KANDIDATEN hat ist alles in Ordnung.

User #2368 (nicht angemeldet)

Weiss jemand ob Renten und Gehälter des Bundesrates als Einkommen versteuert werden muss?

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