Schon wieder erhalten Halbtax-Nutzende wahllos grosse GA-Rabatte. Die treuen GA-Zahlenden gehen leer aus – steckt dahinter eine Strategie der SBB?
SBB Couvert
Ein solches Rabatt-Couvert fanden viele Halbtax-Kundinnen und -Kunden anfangs Woche in ihrem Briefkasten – aber längst nicht alle. - Leserreporter

Das Wichtigste in Kürze

  • Die SBB schickt wieder grosse GA-Rabatte an einige potenzielle GA-Kundinnen und -Kunden.
  • Die Aktion stiess schon im März auf Kritik – wer bereits ein GA hat, profitiert nicht.
  • Der Konsumentenschutz befürchtet, die SBB versuche, das GA unattraktiv zu machen.
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Nau.ch-Leser Michael P.* ist stinksauer, seit er Anfang Woche seinen Briefkasten leerte. Grund dafür: Eine (Nicht-)Sendung der SBB.

«Ich wohne in einer Zweier-WG, ich und meine Mitbewohnerin haben vor einem Jahr unser GA gekündet – gleichzeitig. Einen Brief bekam jedoch nur meine Kollegin», schildert er bei Nau.ch.

Im genannten Couvert befindet sich ein grosszügiger GA-Rabatt. Falls sich Michaels Mitbewohnerin wieder ein GA kauft, bekommt sie 500 Franken Gutschrift auf das Zweitklass-GA. Sogar 850 Franken wären es auf das Erstklass-GA.

«Während sie sich jetzt überlegt, wieder ein GA zu kaufen, habe ich diese Möglichkeit gar nicht. Kein Brief und somit auch kein Rabatt für mich. Wie unfair und willkürlich werden diese Couverts verteilt?!»

Konsumentenschutz: «Verheerendes» Verhalten der SBB

Auch Marius Wiher vom Konsumentenschutz schüttelt den Kopf. Die SBB ist nämlich eine Wiederholungs-Täterin. Im März wurden auch schon wahllos Rabatt-Couverts an Halbtax-Besitzende verschickt – schon damals hagelte es Kritik.

sbb brief
So versucht die SBB, potenzielle Neukundinnen und Neukunden anzulocken.
1. Klasse
Beim Kauf eines Erstklass-GA offeriert die SBB glatte 850 Franken – Aber nur für Personen mit Gutschein.
Ticketkontrolle
Mit dem neuen Zahlungssystem «myRide» würde es keinen SwissPass mehr brauchen: Alles läuft über das Handy.

Die SBB sprach damals von einer Werbeaktion von Allianz Swiss Pass – andere Unternehmen würden auch solche Kampagnen durchführen. Jetzt verteidigt sich Allianz Swiss Pass, die GA-Kundinnen und Kunden seien «der ÖV-Branche sehr wichtig». Und verweist auf Mitfahrtageskarten, die bisherige GA-Kunden erhielten.

Wiher kritisiert die Wiederholungstat: «Diese Intransparenz ist nicht hinnehmbar. Die SBB müsste mindestens kommunizieren, weshalb bestimmte Personen Gutscheine erhalten und andere nicht.»

Es spreche für kein Unternehmen, wenn es seine eigenen Versprechen breche. «Für ein Unternehmen mit Monopol und Aufgaben in Service Public ist es längerfristig natürlich besonders verheerend.»

Treue GA-Nutzende benachteiligt

Die Werbeaktion vernachlässigt nicht nur jene Halbtax-Kunden und -kundinnen, die leer ausgehen. Auch Personen, die seit Jahren den vollen Preis für ihr GA bezahlen, werden nicht für ihre Treue belohnt.

Beim Konsumentenschutz beobachtet man dieses Verhalten schon länger. «Es zeigt sich erneut, dass die SBB die Reisenden mit GA benachteiligen. Wir befürchten schon seit einigen Monaten, dass das GA unattraktiv gemacht werden soll.»

Das längerfristige Ziel ist laut Wiher klar: «Mehr Kontrolle über die Reisenden in Form von Daten, Steuerung von Reisezeiten und damit dynamischen Preisen, die intransparent sind.»

SBB plant neues Ticketsystem

Die Rede ist vom geplanten neuen Ticketsystem «myRide» der Allianz Swisspass. Es soll ganz ohne Abonnements funktionieren und die Reisen der Zugfahrenden auf dem Handy nachverfolgen. Das Projekt befindet sich zurzeit noch in der Testphase. Der definitive Entscheid, ob es wirklich eingeführt wird, fällt nächstes Jahr.

Hat Ihnen die SBB einen Gutschein für einen GA-Rabatt geschickt?

Mit den Rabatten will die SBB aber eindeutig Neukundschaft anwerben. Ein möglicher Grund: Von ihrem Geld kann sie noch dieses Jahr profitieren – bevor vielleicht das neue System eingeführt wird.

Nach einer Umfrage des Konsumentenschutzes sind 82 Prozent der 672 Teilnehmenden nicht überzeugt von dem neuen ÖV-Tarif. Viele scheinen also zufrieden mit dem aktuellen Zahlungssystem.

*Name der Redaktion bekannt

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