«Rücksicht»: Coiffeur bedient keine Erkälteten!
Ein deutscher Coiffeur weist mit einem Flyer darauf hin, dass er Kranke nicht mehr bedient. Auch Schweizer Coiffeure finden: Ist man krank, bleibt man zu Hause.

Das Wichtigste in Kürze
- Ein deutscher Coiffeur postet auf Facebook, dass er kranke Kunden nicht mehr bedient.
- Die Reaktionen fallen hauptsächlich positiv aus, vereinzelt gibt es negative Kommentare.
- Auch in Schweizer Coiffeur-Salons findet man, dass das eine gute Massnahme sei.
Husten, Schnupfen und Fieber: Der Herbst ist Erkältungszeit. Doch das scheint die Kundinnen und Kunden des deutschen Coiffeur-Salons «Friseur am Markt» nicht zu beeindrucken.
Hüstelnd und röchelnd setzen sie sich auf die Coiffeur-Stühle von Inhaber Pino Venditti. Der ist genervt – und wendet sich nun mit einem unkonventionellen Brief an seine Klienten.
«Wer sichtbar erkältet ist, darf sich erst nach der Genesung wieder verschönern lassen», schreibt er in einem Beitrag auf Facebook.
Darunter ein Bild von einem Flyer, der an der Tür des Salons klebt: Offensichtlich erkältete Menschen würde man nicht mehr bedienen. Und: «Auch auf das Händeschütteln möchten wir verzichten.»
Nutzer reagieren mit Verständnis
In den Kommentaren geht es wild zu und her. Viele können das Vorgehen und die Massnahme des Coiffeurs verstehen.
Eine Nutzerin macht auf den finanziellen Faktor aufmerksam: «So viele Egoisten hier. Als normaler Arbeitnehmer bekommt man Krankengeld. Als Selbstständiger nicht.»
Ein anderer Nutzer findet die Massnahme «top». «Dass man das überhaupt noch extra erläutern muss ...», wundert er sich.

Unter den zumeist positiven Rückmeldungen finden sich vereinzelt auch Nutzer, die sich ärgern. «Na hoffentlich gilt das auch für die Angestellten, die erkältet zur Arbeit kommen», schreibt eine Nutzerin spitzfindig.
Ein weiterer Kommentar ärgert sich über den Bezug zu Corona-Pandemie: «Vorher habe ich über so eine Scheisse nichts gehört und nichts gelesen ... Leute, ihr habt den Knall echt nicht gehört ...»
«Geht nicht um Corona»
Der Inhaber meldet sich kurz nach der Veröffentlichung nochmal selbst zu Wort.
«Mir geht es dabei nicht um Corona», erklärt Venditti. «Sondern um Rücksicht, Verantwortung und wirtschaftliche Vernunft.» Wenn jemand ausfalle, ob Kunde oder Mitarbeiter, bedeute das Stress und finanzielle Einbussen.
Die Zeiten hätten sich «geändert», die Belastung sei grösser geworden. Er wolle mit dem Zettel vor allem die Arbeitskraft und Gesundheit schützen.
Maske-Tragen hat sich «ganz natürlich eingespielt»
Auch in Schweizer Salons ist das «Verschönern» von kranken Kunden kein Thema, das zur Diskussion steht. «Wir vertrauen auf den gesunden Menschenverstand», sagt Eddine Belaid.
Belaid ist Inhaber von vier Coiffeur-Salons in Zürich, darunter auch der «Aveda exclusive Salon». «Im Falle einer Erkältung ziehen unsere Kunden meist von selbst eine Maske auf.» Auch die Coiffeure würden das so handhaben, solange kein Fieber bestehe.
Man habe weder während der Pandemie noch heute ungewöhnlich viele Krankheitsausfälle. «Schon damals war niemand mit Fieber am oder auf dem Coiffeur-Stuhl, und das ist heute genauso», so Belaid.
Dass man mit Schnupfen oder Husten eben eine Maske trägt, habe sich «ganz natürlich eingespielt». Aus der Sicht des Inhabers sind sowohl diese Regelungen als auch die hohen Hygienestandards absolute Selbstverständlichkeiten.
Gegenseitige Rücksichtnahme — ganz ohne Hinweisschild
Emina Köpplin, Inhaberin des Pompadour Barbershops, musste noch keine kranke Kundschaft ablehnen. «Wir sind ein klassischer Herren-Coiffeur, ein Oldschool Barbershop», sagt sie.
Das Unternehmen in Bern sei eben auch ein Ort, um sich eine Auszeit zu gönnen und zu verweilen.
Dieses Bewusstsein spüre man auch bei den Gästen. «Wer sich nicht wohlfühlt, verschiebt seinen Termin in der Regel von selbst. So entsteht gegenseitige Rücksichtnahme – ganz ohne Hinweisschild», erklärt Köpplin.
Respektvolles Vorgehen ist zielführend
Der Verband «Coiffeur Suisse» unterstützt die Massnahme von Venditti. Auf Anfrage von Nau.ch erklärt Sandra Bossi, Leiterin Kommunikation, dass Hygiene und Gesundheitsschutz seit jeher zentrale Themen seien.
«Wir empfehlen grundsätzlich, dass Mitarbeitende als auch Kundinnen und Kunden bei akuten, ansteckenden Erkrankungen auf einen Coiffeur-Besuch verzichten.»
Ein Hinweis im Salon, der die Kundschaft auf die Thematik aufmerksam mache, sei sinnvoll. «Das kann helfen, Missverständnisse zu vermeiden», so der Verband. Aber: «Wichtig ist dabei ein respektvoller, wertschätzender Ton gegenüber der Kundschaft.»
Hygienemassnahmen waren bereits vor der Pandemie hoch
Bossi bekräftigt: «Die Hygienestandards im Coiffeur-Handwerk waren schon vor der Pandemie sehr hoch.»
Dazu zähle unter anderem die regelmässige Reinigung von Utensilien sowie das Einhalten allgemeiner Hygienestandards. So könne man die Kundschaft und das Personal «bestmöglich schützen».
Die Pandemie hat in dieser Hinsicht jedoch auch nochmals neue Perspektiven eröffnet. «Viele Salons haben in der Pandemie ihre Abläufe zusätzlich überprüft und teilweise optimiert», erklärt Bossi. Beispielsweise durch verstärktes Desinfizieren von Kontaktflächen.
Unia: Gesundheitsschutz steht im Vordergrund
Für die Gewerkschaft Unia ist der Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden zentral. «Der Geschäftsinhaber muss die Gesundheit seiner Angestellten so gut wie möglich schützen», heisst es auf Anfrage.
Das Vorgehen mit dem Flyer könne eine mögliche Präventionsmassnahme dafür sein – und sei unproblematisch. Es stehe dem Geschäftsinhaber frei, die Kundschaft betreffend der Infektionsgefahr zu sensibilisieren.
«Er muss letztlich auch die finanziellen Konsequenzen tragen, wenn er den Salon schliessen muss», so die Gewerkschaft. Beispielsweise dann, wenn alle Angestellten krank sind.
Inhaber muss Konsequenzen tragen
Habe der Geschäftsführer den Eindruck, dass die Kundschaft erkältet ist, könne man der Person einen neuen Termin anbieten.
Ein Grundrecht oder eine rechtliche Bestimmung, wonach man Anspruch auf die Bedienung hat, gäbe es seitens Kundschaft nämlich nicht.
Klar ist jedoch: Der Inhaber muss die Konsequenzen dafür tragen. Auch «wenn die Kundschaft in der Folge kein Interesse mehr haben sollte, sich in seinem Salon frisieren zu lassen.»





















