Die Psychiatrie in Münsingen sieht sich schweren Vorwürfen gegenüber. Neue Untersuchungsberichte zeigen erhebliche Gefahren für die Patientensicherheit.
Psychiatrie Münsingen
Die Psychiatrie in Münsingen. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Untersuchungsberichte zeigen schwere Missstände im Psychiatriezentrum Münsingen auf.
  • Interne Streitigkeiten, schwache Führung und mangelnde Kontrolle werden bemängelt.
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Neue Untersuchungsberichte werfen ein beunruhigendes Licht auf das Psychiatriezentrum Münsingen (PZM), eine der grössten psychiatrischen Kliniken der Schweiz. Die Berichte offenbaren erhebliche Mängel und Gefahren für die Patientensicherheit, berichtet «SRF».

In den fast 120 Seiten umfassenden Dokumenten wird ein Bild von internem Streit, schwacher Führung und mangelnder Kontrolle gezeichnet. Es wird berichtet, dass Pflegepersonal teilweise ärztliche Anordnungen nicht umgesetzt hat. Eine Situation, die laut Experten «eine erhebliche Gefahr» für die Patientensicherheit darstellt.

Zudem enthüllen die Berichte Versuche des damaligen medizinischen Direktors, Drogentherapien «unter dem Radar» einzuführen. Eine Patientin wurde sogar mit einer Substanz behandelt, die nicht für ihre Krankheit zugelassen war.

Brisante Enthüllungen bisher unbekannt

Trotz der Brisanz dieser Erkenntnisse waren sie bislang nicht öffentlich bekannt. Bei einer Medienkonferenz im Juni 2022 sprach das PZM lediglich von «organisatorischen und führungsspezifischen Schwachstellen». Es räumte ein, dass die Arbeit des damaligen medizinischen Direktors «nicht ausreichend» kontrolliert wurde.

Markus Müller, Verwaltungsrechtsexperte an der Universität Bern, kritisiert diese Informationspolitik scharf: «Wichtige Punkte werden so der Bevölkerung vorenthalten. Sie hat aber das Recht zu wissen, wenn in einer kantonalen Klinik gravierende Missstände bestehen. Es geht um Menschen, die gefährdet werden, und da ist absolute Transparenz nötig», sagt er.

Psychiatriezentrum Münsingen
Das Psychiatriezentrum Münsingen soll zahlreiche Missstände aufweisen. - keystone

In einer schriftlichen Stellungnahme betont das PZM seine Transparenz gegenüber dem Kanton Bern seit Beginn der Untersuchung im Februar 2022. Die Berichte seien von unabhängigen Experten verfasst worden und es sei nichts versucht worden zu verheimlichen.

Zu den konkreten Missständen äussert sich das PZM wie folgt: «Der Untersuchungsbericht der Experten hält fest, dass Patient:innen zu keinem Zeitpunkt zu Schaden gekommen sind.» Bezüglich des Einsatzes von Drogen in Therapien stellt das PZM klar: «Laut Untersuchungsbericht gab es keine Hinweise auf die Anwendung nicht zugelassener Behandlungsmethoden oder Substanzen.»

Kritische Stimmen zur Rolle des Kantons

Weitere Recherchen werfen Fragen auf bezüglich der Rolle der bernischen Gesundheitsdirektion, der Bewilligungs- und Aufsichtsbehörde. Diese erhielt die Expertenberichte erst 15 Monate nach deren Abschluss. Es bleibt unklar, ob sie diese selbst angefordert hat oder auf anderem Wege erhalten hat.

Markus Müller stellt infrage, ob die Regierung als Aufsichtsbehörde ihren Job gemacht hat: «Sobald eine Krise im Anzug ist, muss die Regierung ihre Klinik an die kurze Leine nehmen, genauer hinschauen und allenfalls intervenieren», sagt er.

Die bernische Gesundheitsdirektion betont in ihrer Stellungnahme lediglich, dass sie 2022 einen eigenen Experten mit einer Untersuchung beauftragt hatte. Ebenso hätte das PZM gehandelt. Sie geht nicht auf die nun aufgedeckten Missstände ein.

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