Pädokriminelle locken Kinder im Netz mit Sackgeld
Behörden warnen vor sogenannten «Taschengeld-Treffen», bei denen Kinder zu sexuellen Handlungen gedrängt werden. Das Phänomen taucht auch in der Schweiz auf.

Das Wichtigste in Kürze
- Die deutsche Polizei warnt vor sogenannten «Taschengeld-Treffen».
- Die Täter locken Minderjährige mit Geld zu sexuellen Handlungen.
- Auch in der Schweiz sind entsprechende Fälle bekannt.
- In der Prävention sind insbesondere auch die Eltern gefordert.
Viele Kinder und Jugendliche kriegen von ihren Eltern ein Sackgeld. Mit Nebenjobs wie Babysitting oder Gartenarbeiten können sie sich einen weiteren Batzen dazuverdienen.
Doch bei Angeboten im Internet ist Vorsicht geboten. Was sich als «Taschengeld-Treffen» tarnt, ist in Wahrheit die sexuelle Ausbeutung Minderjähriger.
Das Kriminalamt des bevölkerungsreichsten deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen warnt vor diesem «wachsenden Phänomen», wie es mitteilt.
Über Online-Anzeigenportale oder Dating-Plattformen suchen die Täter gezielt Minderjährige, um gegen Geld oder Geschenke sexuelle Handlungen anzubieten oder zu erbitten.
Sie nutzen Codes wie «TG-T» für «Taschengeld-Treffen» oder «BMB» für «Bitte mit Bild».
Besonders gefährlich: Viele dieser zunächst harmlos anmutenden Inserate werden von gleichaltrigen Kindern und Jugendlichen weiterverbreitet. Die Täter bleiben oft bis zur Tat anonym.
Pädokriminelle locken Kinder und Jugendliche auf Gaming-Plattformen und Co. an
Nau.ch-Recherchen zeigen: Das Phänomen ist bereits vereinzelt in der Schweiz angekommen. «In der Schweiz gibt es ähnliche Fälle», bestätigt die Schweizerische Kriminalprävention.
Die Kantonspolizei Zürich teilt mit: «Die Masche ist bekannt, kommt jedoch nur selten vor und wird statistisch nicht separat ausgewiesen.»
Auch die Stadtpolizei Zürich sagt: «Das Phänomen ist nicht neu. Es ist bekannt, dass versucht wird, Jugendliche mit monetären oder materiellen Versprechungen zu sexuellen Handlungen zu überreden.»
Grundsätzlich komme das auf allen Plattformen vor, wo sich auch Jugendliche aufhalten. Dazu gehören auch Gaming-Plattformen.
Die Stadtpolizei ergänzt: «In der Stadt Zürich gingen die Ermittelnden der Spezialermittlungen Kinderschutz in den letzten 12 Monaten insgesamt 14 solchen Fällen nach.» Zum Teil konnten die Täter ausfindig gemacht werden.
Die Kantonspolizei Bern sagt: «Der Begriff ‹Taschengeld-Treffen› ist uns in dieser Form nicht geläufig.» Sie bestätigt aber Fälle, in denen ältere Personen Kinder oder Jugendliche gegen Geld oder Geschenke sexuell ausbeuten.
Andernorts ist dieses Phänomen bislang kein Thema. So etwa bei der Kriminalpolizei Basel-Stadt oder der Kantonspolizei Aargau.
Kinder merken Ausbeutung zunächst nicht
Kinderschutz Schweiz betreibt gemeinsam mit der Guido-Fluri-Stiftung und in Zusammenarbeit mit den Behörden die Online-Meldestelle gegen Pädokriminalität «Clickandstop.ch». Auch dort ist das Phänomen bekannt.
Direktorin Regula Bernhard Hug sagt zu Nau.ch: «Im letzten halben Jahr wurden zwei Fälle gemeldet. Die Opfer waren beide Mädchen – treffen kann die Pädokriminalität aber jedes Kind.»
Das zugrunde liegende Delikt nennt sich Cyber-Grooming. «Dabei machen sich die Täter an Kinder ran und verlangen Fotos, um ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Diese Ausbeutungssituation merken die Kinder oft sehr spät.»

Denn: «Für viele Kinder ist es erst einmal verlockend, ihr Sackgeld aufzustocken. Sie verstehen die kriminellen Absichten dahinter nicht.»
Bernhard Hug erklärt: «Zunächst bieten die Täter Geld für Fotos von Füssen. Kinder kennen die Welt der Erwachsenen nicht. Sie verstehen nicht, warum jemand Geld für ihre Fussfotos bezahlt.»
Hat die Masche erst einmal bei den Kindern verfangen, verlangen die Täter immer mehr. «Zuerst sind es Fussfotos, später auch Nacktfotos. Später wird dann versucht, mit den Fotos die Kinder weiter zu erpressen, um an noch mehr pädokriminelles Material zu kommen.»
Schweizer Mädchen in die Prostitution vermittelt
Besonders tragisch: «In einem der beiden aktuellen Fälle wurde ein Mädchen in die Prostitution vermittelt.»
Genauere Angaben zu den konkreten Fällen kann Bernhard Hug aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes keine machen.
Oft geschieht Cyber-Grooming hinter dem Rücken der Eltern. «Die Kinder nutzen beispielsweise einen zweiten Instagram-Account, von dem die Eltern nichts wissen», sagt sie.
Wichtig sei daher, die Kinder bereits vor dem ersten Internetzugang über die Gefahren aufzuklären. «Wichtig ist, dass das Thema nicht mit Scham behaftet ist. Nur so meldet sich das Kind auch bei den Eltern, wenn etwas vorfällt», so Bernhard Hug.
Ausserdem sollten Eltern dem Kind zu verstehen geben, dass sie wissen, wie das Internet funktioniert. «Nur so wenden sich die Kinder auch an ihre Eltern.»
Derzeit sei die Schweiz «ein Vorzeigemodell» in der Aufklärung zu Pädokriminalität im Netz. Eine breite Kampagne auf Social Media, Werbescreens und an Bahnhöfen habe neun Millionen Menschen erreicht.
Und sie zeigte offenbar Wirkung: «Während dem Ausspielen der Kampagne in den Monaten August und September nahmen die Anrufe bei Clickandstop.ch deutlich zu.»
Eltern sollten misstrauisch werden, wenn Kinder plötzlich Geld haben
Abschliessend mahnt Bernhard Hug, dass sich die Muster der pädokriminellen Phänomene immer wieder ändern können.
«Heute ist ‹TG› die Abkürzung für ‹Taschengeld›, früher war es ‹Pizza›. Die Eltern sollten ihre Kinder also über die Gefahren an sich aufklären.»
Weiter ist auch ein gesundes Misstrauen notwendig: «Wenn Ihr Kind plötzlich Geld hat, immer nachfragen, woher dies kommt.»
Kommt es zu einem Vorfall, dürfe dem Kind keine Schuld zugeschoben werden. Entscheidend sei, dass sich die Eltern bei der Meldestelle oder der Polizei melden und ihr Kind so unterstützen.
Hier findest du Hilfe bei Fällen von Pädokriminalität
Bei Verdacht auf Pädokriminalität in der Schweiz ist der Polizeinotruf 117 die erste Anlaufstelle im Notfall.
Für anonyme Meldungen im Internet ist clickandstop.ch zuständig, die auch Beratung für Betroffene und Fachpersonen bietet.
Weitere Unterstützung bieten kantonale Polizeien sowie Opferhilfe- und Kinderschutzorganisationen wie kinderschutz.ch. Diese Stellen gewährleisten schnelle Hilfe, Meldemöglichkeiten und Präventionsangebote. So können Betroffene und Angehörige gezielt unterstützt werden.











