Obstdiebe schlagen zu – Bauern beklagen hohe Verluste
Ein Pfälzer Bauer verliert jährlich Zehntausende Euro durch Diebstahl. Auch Schweizer Höfe rüsten sich gegen die neue Selbstbedienungsmentalität.

Das Wichtigste in Kürze
- In der Pfalz wurden einem Obstbauern über 900 Kilogramm Obst gestohlen.
- Auch Schweizer Betriebe wie Jucker Farm melden vermehrt Diebstähle.
- Rechtliche Schritte sind selten, da Aufwand und Erfolgsaussichten gering sind.
Dreist: In Hochstadt in der Pfalz (D) wurden einem Obstbauern kürzlich über Nacht 150 Kilogramm Pfirsiche und satte 800 Kilogramm Äpfel gestohlen. Auf dem einen Feld verzeichne er einen jährlichen Schaden von 20'000 Euro – allein durch Obstdiebstahl, sagte er dem «SWR».
Wildkameras dokumentierten, wie sich Diebe mit Stirnlampen ausgerüstet Zugang zu den Feldern verschafften.
Der Bauer fühlt sich machtlos: Selbst wenn er anhand der Aufzeichnung einen Dieb identifizieren würde, drohten diesem keine rechtlichen Konsequenzen. Denn die genaue Menge könne er ihm nicht nachweisen.
Auch Schweizer Bauern kämpfen mit Diebstahl
Auch in der Schweiz kommt es immer wieder zu Obstdiebstählen – wenn auch seltener in solch dramatischem Ausmass.
Die Zürcher Jucker Farm, ein Verbund mehrerer Landwirtschaftsbetriebe, verzeichnet etwa kleinere Vorfälle durch Spaziergänger oder Selbstpflücker.
Auf dem Juckerhof in Seegräben wurden allerdings einmal rund 80 (!) frisch gepflanzte Jungbäume aus einer Obstanlage gestohlen. Der entstandene Schaden: etwa 5000 Franken.
«Sobald ein Produkt erntereif ist und zugänglich, ist es betroffen», sagt Obstbauleiter Robert Portmann.
Auf dem ebenfalls zur Jucker Farm gehörenden Spargelhof in Rafz kommt es insbesondere bei Freiland-Erdbeeren regelmässig zu «Mundraub». Etwa durch vorbeifahrende Velofahrer oder Spaziergänger. Sie stecken sich die Früchte einfach in den Mund, ohne zu bezahlen.
«Eine gesellschaftliche, zunehmende Selbstbedienungsmentalität macht auch vor unseren Feldern keinen Halt», kritisiert Hofleiter Benjamin Keil.
Als Gegenmassnahme wurden Felder eingezäunt, Hinweisschilder installiert und in einem Forschungs- und Selbstpflückbereich ein innovatives Konzept umgesetzt: Für einen kleinen Beitrag darf dort alles probiert und gepflückt werden.
«So wirken wir dem Diebstahl sehr entgegen. Für den Kunden ist es zudem einfacher, er kann sich frei durchprobieren ohne schlechtes Gewissen», sagt Portmann.
Betriebe setzen auf Prävention statt Strafverfolgung
Auch bei Hurni Gemüse in Kerzers, auf dessen Gelände sich die Selbstpflückanlage «Pflück dis Glück» befindet, kennt man das Problem.
Sprecherin Nadine Niklaus erklärt: «Es gibt Fälle, wo die Besucher ohne zu zahlen im Garten pflücken und wieder über einen ‹Hinterausgang› verschwinden.»
Besonders gefragt seien Kirschen und Aprikosen – trotz Absperrung. Bei Erdbeeren sei die Situation kritisch geworden, weshalb an Wochenenden mittlerweile keine Selbstbedienung mehr erlaubt sei. Stattdessen sorgen Mitarbeitende und zentrale Zahlstellen für Kontrolle.
Rechtlich sieht sich der Betrieb jedoch in einer schwierigen Lage: «Wenn wir jemanden erwischen und anzeigen, ist der Aufwand für uns enorm und die Verfahren dauern ewig. Am Schluss werden die Diebe kaum bestraft.»
Auch Datenschutzbestimmungen erschwerten es, Täter zu identifizieren oder zu melden.
Extremfälle in der Schweiz «nicht geläufig»
Der Schweizer Obstverband bestätigt: «Es gibt immer wieder Betriebe, die von Obstdiebstahl betroffen sind.» Fälle in einem grösseren Ausmass, wie der eingangs erwähnte in Deutschland, seien in der Schweiz aber «nicht geläufig.»
Zahlen oder Erhebungen zum Gesamtschaden gibt es nicht.
Zur Prävention setzen Betriebe laut Verband auf Videoüberwachung, Einzäunung und klare Regeln. Einige verlangen Eintritt oder schreiben eine Mindestabnahme vor – um sicherzustellen, dass beim Bezahlen nicht nur der Magen gefüllt ist.
Rechtliche Schritte seien allerdings selten: «Zum einen, weil die Vorfälle oft nicht schwerwiegend genug sind. Zum anderen, weil eine rechtliche Verfolgung mit Aufwand und Unsicherheit verbunden ist.»
Was bleibt, ist ein wachsendes Unbehagen gegenüber einer Haltung, die Ernte als selbstverständlich betrachtet.
Robert Portmann von der Jucker Farm sagt: «Niemandem ist bewusst, dass der Landwirt ein Jahr darauf hinarbeitet, diesen Apfel zu ernten und sein Einkommen zu generieren.»
Für ihn ist klar: Nur mehr Bildung könne helfen, diese «Selbstbedienungsmentalität» zu begrenzen.