Natalie Rickli bekommt von allen Seiten Schützenhilfe
Dass der Rap über Natalie Rickli nicht als sexuelle Belästigung gilt, alarmiert Organisationen, die sich mit sexueller Gewalt und Belästigung befassen.

Das Wichtigste in Kürze
- SVP-Politikerin Natalie Rickli wurde in einem Rap stark sexualisiert und beleidigt.
- In seinem Urteil schliesst das Bundesgericht allerdings sexuelle Belästigung aus.
- Das sei «inakzeptabel und gefährlich», warnen Fachstellen.
Der Song «Natalie Rikkli» sorgt für Wut und Empörung in allen Lagern. «Wär het xeit, SVP het ke Sex-Appeal, mis Motto: Natalie Rickli, isch guet füres F****i», rappen vier Bernern und eine Bernerin.
Weiter geht es mit: «Würsch du wieder mal richtig gf***t, wärsch gloub e Liebi. Bruchsch e D**k i dire F***e, du gisch di nur verschlosse.» Und: «Nur no es paar B******s vom Bundehuus entfärnt, het si rund umd’ Uhr S*****z im Muu vom Mörgeli und Blocher.»

Diese Zeilen brachten ihren Schöpfern eine bedingte Geldstrafe ein. Das Urteil des Obergerichts von 2018 lautete auf Beschimpfung und üble Nachrede. Das Bundesgericht in Lausanne zieht zudem Verleumdung in Betracht. Sexuelle Belästigung hingegen sieht das Bundesgericht keine.
Natalie Rickli habe zu spät reagiert
Ganz im Gegenteil. Das Bundesgericht hat den Vorwurf der sexuellen Belästigung klar abgelehnt. Denn einerseits hätten die Rapper sich bei der Veröffentlichung des Songs nicht direkt an Rickli gewandt.
Andererseits sei «eine unmittelbare Wahrnehmung der Äusserung durch das Opfer» nötig, um eine Handlung als sexuelle Belästigung deklarieren zu können. Das ist für viele harter Tobak. Zahlreiche linke Politikerinnen setzen sich für Natalie Rickli ein. Sie selber will zum Urteil nichts sagen.
«Inakzeptabel und gefährlich»
Institutionen, die sich tagtäglich mit sexueller Belästigung und Gewalt auseinandersetzen, finden das Urteil problematisch. Denn der Entscheid des Bundesgerichts ist der erste seiner Art. Damit also ein Leiturteil, an dem sich Richter künftig bei ähnlichen Fällen orientieren werden.

«Der Rap verharmlost klar sexualisierte Gewalt. Und er bemüht ein stereotypes Frauenbild und ist gewaltverherrlichend. Das ist inakzeptabel, gefährlich und fördert Gewalt an Frauen im Alltag», erklärt Anna-Béatrice Schmaltz. Sie leitet die Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen».
Gewalt im Internet wird ignoriert
Entsprechend sollten solche Zeilen von oberster Stelle verurteilt werden. Doch statt dies zu tun, lasse das Bundesgericht die Funktionsweise der Sozialen Medien ausser Acht.
Problematisch. Denn: «Gerade im Internet erfahren Frauen und Mädchen Gewalt. Dies muss endlich wahrgenommen und verhindert werden – auch von der Justiz», erklärt Schmalz.

Dass Argument, Rickli hätte den Rap «zu spät» wahrgenommen, sei absurd. «Gerade auch im Hinblick auf sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt. Die Verantwortung darf nicht auf Betroffene abgeschoben werden.»
«Auch dass der Rap nicht an Rickli direkt gerichtet sei, ist im digitalen Zeitalter nicht haltbar. Im Internet ist alles für alle jederzeit verfügbar und zugänglich», so Schmalz.

Auch der Verein Santé Sexuelle findet das Urteil problematisch. «Warum sollten grober Sexismus, die sexuelle Herabwürdigung von Frauen und sexistische Beleidigung als künstlerische oder politische Freiheit gelten und okay sein?» Sexismus habe «nichts mit Meinungsfreiheit zu tun», erklärt Sprecherin Daniela Enzler.