Nach dem Schlittel-Eklat kämpft Davos gegen seinen Antisemitismus-Ruf. Die Branche will Zeichen setzen. Ein Experte zeigt sich kritisch.
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Der oberste Bündner Hotelier fordert zusätzliche koschere Angebote in Davos. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In Davos wurde jüdischen Gästen die Miete von Sportgeräten verweitert.
  • Hotelleriesuisse Graubünden geht in die Offensive und fordert weitere koschere Angebote.
  • Ein Experte appelliert: «Das soll nicht aus einer Schuld heraus passieren.»
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Keine Schlitten für Juden: Ein Bergrestaurant in Davos GR sorgte Mitte Februar für einen handfesten Antisemitismus-Skandal. Der Vorfall sorgte weit über die Schweizer Landesgrenzen hinaus für Empörung. Die Bündner Staatsanwaltschat ermittelt wegen eines möglichen Verstosses gegen die Rassismusstrafnorm.

Was bleibt: ein grosser Image-Schaden für die Tourismus-Region. Der oberste Bündner Hotelier appelliert nun an die Branche. Jetzt seien Interesse und Offenheit gefragt, um die jüdisch-orthodoxen Gäste nicht zu verlieren, sagt Ernst Wyrsch, Präsident von Hotelleriesuisse Graubünden.

Ernähren Sie sich koscher?

Seine Forderung: «Wir müssen zusätzliche Angebote machen für die orthodoxen Gäste», sagt Wyrsch in einem Artikel der «Zeit». «Warum nicht koschere Restaurants auf Skipisten und Spielplätzen?», so sein Vorschlag.

Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, hält die Forderung nach koscheren Restaurants in Davos für «illusorisch». Auf Anfrage von Nau.ch sagt er: «Wir leben in einer freien Marktwirtschaft, in der die Nachfrage das Angebot bestimmt. Wenn sich koschere Restaurants rentieren würden, hätte diese Idee schon lange jemand umgesetzt», glaubt er.

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Keine Sportgeräte für jüdische Gäste: In Davos gibt es weiterhin Konflikte.
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Ein Bergrestaurant in Davos vermietet jüdischen Gästen keine Sportgeräte. (Archivbild)
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Neben Airboards, Skibockerl und Schneeschuhe betrifft es auch Schlitten. (Symbolbild)
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«Der Inhalt ist höchst diskriminierend und antisemitisch», sagt Generalsekretär Jonathan Kreutner (r).
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In Davos kam es schon in der Vergangenheit zu Konflikten mit jüdischen Gästen.

Schliesslich liessen sich die Restaurants nicht das ganze Jahr über mit jüdisch-orthodoxen Gästen füllen.

Aber: Die Stossrichtung von Wyss’ Forderungen begrüsst Kreutner dennoch. «Nach den Vorfällen sind sicherlich Signale angebracht, um jüdisch-orthodoxen Touristen klarzumachen, dass sie in Davos willkommen sind.»

Experte zeigt sich kritisch gegenüber koscheren Skibeizen

Auch ein Experte übt Zurückhaltung. Florian Eggli vom Institut für Tourismus der Hochschule Luzern hält koschere Skibeizen als Spontanreaktion auf den Vorfall für «übertrieben». Er sagt zu Nau.ch: «Zusätzliche Angebote sollten nicht aus einer Schuld heraus oder als Zeichen der Wiedergutmachung geschaffen werden.»

Sondern: «Wichtig ist, dass die Branche überlegt, wie sie möglichst auf die Bedürfnisse aller Gästegruppen eingehen kann. Bestrebungen an einem Vorfall aufzuhängen und daraus ein Politikum zu machen, ist nicht zielführend», so Eggli.

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Florian Eggli ist Tourismus-Experte an der Hochschule Luzern. - Hochschule Luzern

Der Experte rät stattdessen, dass Davos eine «Willkommenskultur für alle Gästegruppen» schaffen soll. Angebote für Jüdisch-Orthodoxe sollen nicht stärker herausgehoben werden als Vegi-Angebote, koffeinfreier Kaffee oder Halal-Produkte. «Wichtig ist immer, dass die Angebote glaubwürdig und verhältnismässig sind.»

Gegen kleine Gesten, um Gäste willkommen zu heissen, sei daher auch nichts einzuwenden, so Eggli,

Davos-Tourismus sieht Verantwortung bei Anbietern

Auch Kreutner vom Israelitischen Gemeindebund betont, dass es oft die kleinen Dinge seien, die bereits viel ausmachten. Sein Alternativvorschlag zu koscheren Restaurants lautet daher auch: «Vielleicht sollte ein Bergkiosk auch immer als Reserve ein paar koschere Glacen im Tiefkühler haben.»

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Nur mit Gütesiegel kann man sich sicher sein, dass die Glace auch koscher ist. - Pexels

Koscher ist ein Glacé dann, wenn ein Gütesiegel bestätigt, dass keine tierischen Produkte wie Gelatine verwendet wurden. Im Judentum dürfen milchige und fleischige Speisen nämlich nicht zusammen gegessen werden.

Der Davoser Tourismusdirektor Reto Branchi sieht die Verantwortung für neue Angebote nicht bei sich: Wie jede Destination gebe es auch in Davos Klosters eine ständige Veränderung und Erneuerung. «So entstehen laufend neue Angebote für die verschiedensten Gästegruppen», sagt er zu Nau.ch. «Sie werden von den einzelnen Anbietern verantwortet.»

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