Nach Blatten: Bergler halten an ihren Dörfern fest – trotz Gefahr
Der Bergsturz von Blatten VS führt vor Augen, wie zerbrechlich das Leben in den Alpentälern ist. Ein Wegzug kommt für die meisten aber nicht infrage.
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Das Wichtigste in Kürze
- Der Bergsturz hat Blatten VS schwer getroffen, fast alle Häuser sind zerstört.
- Trotzdem wollen viele bleiben – ein Leben ohne Berge ist für sie unvorstellbar.
- Fachleute raten nicht zum Wegzug, warnen aber vor wachsenden Naturgefahren.
Blatten VS liegt nach dem Gletscherabbruch unter einer riesigen Schutthalde begraben. 90 Prozent der Häuser des 300-Einwohner-Dorfes sind komplett zerstört. Die Schadenssumme wird auf mehrere hundert Millionen Franken geschätzt.
Noch immer ist nicht absehbar, wann überhaupt mit den Aufräumarbeiten begonnen werden kann. Doch der Gemeindepräsident von Blatten hat bereits angekündigt, dass das Dorf wieder aufgebaut werden soll: «Ein Lötschental ohne Blatten ist undenkbar», sagte er am Freitag vor den Medien.
Der Bergsturz im Lötschental zeigt jedoch, wie verletzlich das Leben in den Alpentälern wirklich ist. Auch an anderen Orten, wie etwa Kandersteg BE, droht ein ähnliches Szenario.
Wegziehen ist aber für die Menschen in den Bergen keine Option. Das betonte unter anderem der Walliser Staatsrat Christoph Darbellay übers Wochenende: «Wir wollen diese Bergtäler weiter bewohnen. Das ist unsere Heimat, unsere DNA», sagte der frühere CVP-Präsident gegenüber «Echo der Zeit».
«Die Gefahr gehört zum Leben in den Bergen»
Ähnlich äussert sich auch Simon Stadler. Der Urner Mitte-Nationalrat ist Präsident der parlamentarischen Gruppe Bergbevölkerung. Stadler war während dem Gespräch mit der SRF-Sendung gerade in den Bergen. Er betonte, wie wichtig es den Menschen sei, dort zu leben.
«Wir Bergler möchten hier wohnen und müssen alles dafür tun, dass eine Rückkehr für die Menschen in Blatten möglich ist. Und auch dafür, dass die Menschen in anderen Tälern in der Schweiz weiter dort wohnen können.»

Der Mitte-Nationalrat betont, wie wichtig es sei, einzelne Orte streng zu überwachen. In Blatten habe dies ja schliesslich gut funktioniert. «Die Gefahr gehört aber zum Leben in den Bergen und wir sind daran gewöhnt.»
Die FDP-Nationalrätin Anna Giacometti erwähnt ebenfalls, dass man in den Bergen mit Naturgefahren lebe. Sie war die Gemeindepräsidentin von Bondo GR, als sich 2017 der Bergsturz mit acht Todesopfern ereignete.

Auch Giacometti will dort bleiben, wo sie verwurzelt ist – nämlich in den Bergen. Die Bündnerin erwähnt aber neben der Überwachung einen für sie weiteren wichtigen Punkt: Nämlich, dass man die Bauzonen so plane, dass es keine direkten Gefahren gibt. «Man kann kein Haus unter einem Berg bauen, der sich bewegt.»
Experte nach Blatten: «Gefahr in den Bergen im ganzen Klein»
Aus den Bergen wegzuziehen, ist also für die dort lebenden Menschen keine Option. Und aus Expertensicht offenbar auch nicht angezeigt. Das sagt Josef Eberli, der Abteilungsleiter Gefahrenprävention beim Bundesamt für Umwelt. Wenn man über mögliche Risiken spreche, müsse man immer schauen, wie hoch der mögliche Schaden sei.
«Da relativiert sich die Gefahr in den Bergen», sagt Eberli. Dominierend in der Schadensstatistik sind demnach hierzulande Schäden bei Wind, Hagel und Hochwasser. Und der überwiegende Teil davon entstehe im Mittelland und nicht im Gebirge, so der Experte. «Fels-, Berg- oder Eisstürze machen nur zwei Prozent des Risikos aus.»
Eberli sagt weiter, dass Alpine Massenbewegungen im Permafrostbereich in den nächsten Jahren sicherlich zunehmen würden. Deshalb überwache der Bund das ganze Land mithilfe von Satellitenaufnahmen. Er betont, dass man damit auch in Zukunft wisse, wo sich bewegende Rutschmassen beschleunigen würden.
«Vor allem werden wir aber auch wissen, wo sie sich infolge des Permafrostes auftun.»
Umsiedlungen wohl unvermeidlich
Trotz allen Sicherheitsvorkehrungen sind aber wohl Umsiedlungen in Zukunft unvermeidlich. Ein ETH-Forscher hatte kurz nach dem Bergsturz von Blatten bereits geraten, solche zu prüfen.
Auch Eberli meint: «In Gebieten, in denen eine erhebliche Bedrohung für Menschen vorhanden ist, kann es die bessere Massnahme sein.» Das könne etwa der Fall sein, wenn Schutzmassnahmen zu teuer oder schlicht nicht möglich seien.

Eberli warnt, dass die Schweiz künftig auch noch mehr mit Hochwasser und Rutschungen zu tun haben werde. «Das betrifft aber weniger das Hochgebirge, sondern eher die Voralpen, das Mittelland und den Jura.»