Wird eine Frau Mutter, kann es kompliziert werden. Zumindest, wenn sie keinen Mann an ihrer Seite hat. Dann vertrauen die Gesetzesmacher ihr nämlich nicht.
Ehe für Alle Mütter
Ein lesbisches Paar mit einem Kind. (Symbolbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Bekommen lesbische Eltern ein Kind, kann die KESB ihnen einen Beistand zur Seite stellen.
  • Denn jeder Mensch hat das Recht, seine Abstammung zu kennen.
  • Fachpersonen vermuten aber, dass dieses Recht zur Schikane lesbischer Eltern genutzt wird.

Mama, Papa, Kind – das ist die klassische Familie. Hat eine Familie zwei Mütter oder zwei Väter spricht man von Regenbogenfamilien. Dann wird das System misstrauisch.

Juristisch kann das richtig kompliziert werden. Zumindest, wenn beide Eltern Mama sind. Denn jetzt kommt Artikel 308 im Zivilgesetzbuch zum Tragen.

Dieser besagt: «Erfordern es die Verhältnisse, so ernennt die Kindesschutzbehörde dem Kind einen Beistand, der die Eltern in ihrer Sorge um das Kind mit Rat und Tat unterstützt.»

Unverheiratete Mütter werden beobachtet

Davon betroffen sind in erster Linie «Kinder unverheirateter Mütter», erklärt Rechtsanwältin Karin Hochl. Das klingt ganz so, als würden die Gesetzesmacher einer Frau nicht zutrauen, allein für ihr Kind sorgen zu können.

Ehe für alle
Wenn der Mann fehlt: Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde behält sich vor, dem Kind einer alleinstehenden oder lesbischen Mutter eine Beiständin zur Seite zu stellen. - Pixabay

Tritt nach der Geburt eines Kindes kein Mann auf den Plan, der die Vaterschaft anerkennt, geht nämlich automatisch eine Meldung an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Betroffen sind Single-Mütter und lesbische Eltern.

«Lesbische Mütter bekommen Steine in den Weg gelegt»

Job der Beistände: Sicherstellen, dass die Kinder die Identität ihres biologischen Vaters kennen. «Für das Kindeswohl ist das richtig», sagt Anwältin Hochl. «Aber ich habe den Eindruck, dass das Kindeswohl manchmal als Vorwand dient, lesbischen Paaren Steine in den Weg zu legen.»

Mutter-Ehe für Alle
Karin Hochl ist Rechtsanwältin im Kanton Zürich. Als solche betreut sie unter anderem lesbische Elternpaare. - zVg

Die Widrigkeiten, gegen die lesbische Mütter kämpfen, sind heterosexuellen Eltern nämlich fremd. Selbst dann, wenn das Kind auf gleiche Art gezeugt wurde. Nämlich durch Samenspende im Ausland.

Gleiche Entstehung, ungleiche Rechte

«Anerkennt ein Mann in einer heterosexuellen Beziehung die Vaterschaft für ein Kind, wird das einfach akzeptiert. Da kontrolliert keine Behörde, ob diese Person tatsächlich der biologische Vater ist, oder nicht», erklärt Hochl.

Klassische Familie
Eltern, die dem klassischen Familienbild entsprechen, haben es juristisch einfacher, als homosexuelle Paare. - Pixabay

«Reist ein heterosexuelles Paar zum Beispiel nach Spanien und greift dort auf eine anonyme Samen- oder Eizellspende zu, bekommt die KESB davon keine Meldung», fährt Hochl fort. Zumindest dann nicht, wenn der Mann die Vaterschaft anerkannt hat.

Ebenso ist der Ehemann immer der rechtliche Vater, auch wenn er das Kind nicht gezeugt hat. Hat die Schwangere hingegen eine Frau an ihrer Seite, rotieren die staatlichen Mühlräder. «Sobald der rechtliche Vater fehlt, ist die Familie Eingriffen der Behörden ausgesetzt», sagt Hochl.

Hat die Schwangere hingegen eine Frau an ihrer Seite, rotieren die juristischen Mühlräder. «Sobald der rechtliche Vater fehlt, wird die Familie inquisitorisch überprüft», sagt Hochl.

Teuer und unsicher

«Ich begleite lesbische Paare oft bereits vor der Geburt. Sie bereiten sich vor und lassen es sich auch etwas kosten, juristisch korrekt vorzugehen», sagt Hochl.

Es gibt zwei Wege, auf denen ein lesbisches Paar zu einem Kind kommen kann. «Erstens durch eine Samenspende in einer Klinik im Ausland. Oder durch die private Samenspende. Dann wird etwa ein Freund als biologischer Vater hinzugezogen.»

Künstliche Befruchtung
Eine Frau wird in einer Schweizer Klinik künstlich befruchtet. Damit das in der Schweiz legal ist, muss sie mit einem Mann verheiratet sein. - Keystone

Da die Samenspende in der Schweiz nur heterosexuellen Paaren zusteht, ist dieses Vorgehen eine juristische Grauzone.

Damit sie möglichst wenig Probleme bekommen, rät Hochl den Familien, die Daten des Samenspenders bei einer Notarin zu hinterlegen. «So ist das Recht des Kindes seine biologische Abstammung zu erfahren, gesichert», sagt Hochl.

Jedoch gebe es KESBs, die trotz Hinterlegung der Spenderpersonalien immer noch eine Beistandschaft für das Kind erreichen.

Glatteis für Mutter und Kind

Erst ein Jahr nach der Geburt darf die Familie das Adoptionsverfahren starten und ihr eigenes Kind dann in einem «oft teuren und aufwändigen Prozess» adoptieren. Bis dahin gilt nur die biologische Mutter auch juristisch als Elternteil.

Solange Co-Mutter und Kind allerdings nicht durch Adoption rechtlich verbunden sind, stehen sie auf Glatteis. «Die Co-Mutter hat keine Rechte, das Kind ist ungenügend abgesichert», führt Hochl aus.

Kind Junge Allein
Kinder, die juristisch gesehen nur ein Elternteil haben, weil die Ko-Mutter sich nicht ebenfalls als Mutter eintragen lassen darf, sind rechtlich schlechter gestellt. - Pixabay

«Stösst der Mutter etwas zu, hat das Kind kein Erbrecht und bekommt keine Waisenrente. Trennen die Mütter sich, kann die Co-Mutter das Kind nicht mehr adoptieren und hat kein Recht auf Kontakt.» Was, wenn der biologischen Mutter etwas zustösst?

«Dann ist die Co-Mutter vom guten Willen der zuständigen KESB abhängig. Nur, wenn diese sich entschliesst, ihr das Kind zu lassen, bleibt der Rest der Familie zusammen. Rechtlich abgesichert sind sie nicht. Die KESB könnte sich auch dazu entscheiden, das Kind in eine Pflegefamilie zu geben, da es juristisch als Waise gilt.»

Regionale Unterschiede

Ob tatsächlich eine Beiständin berufen wird, liegt im Ermessen der jeweiligen KESB. Thomas Büchler, Präsident der Thuner KESB hält fest: «Zur rechtlichen Feststellung der Vaterschaft braucht es nicht in jedem Fall eine Beistandschaft.»

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Die künstliche Befruchtung steht in der Schweiz nur heterosexuellen Paaren offen. - Keystone

Zum Beispiel dann nicht, wenn die Mütter den Namen des Samenspenders bereits hinterlegt haben. Oder wenn das Kind aus einer anonymen Samenspende im Ausland entstanden ist. Der Vater also gar nicht ausfindig gemacht werden kann.

Letzteres passiert oft, weil die offizielle Samenspende in der Schweiz – bei der das Kind den Namen des Spenders erfahren kann – für lesbische Mütter verboten ist.

Zürich macht es Lesben schwer

Rechtsanwältin Hochl vertritt die juristischen Interessen von zahlreichen Regenbogenfamilien. Ihre Erfahrung zeigt: «Viele ländliche Kantone, aber die KESBs von Städten wie Bern, handhaben das meist unkompliziert. Andere Regionen, allen voran der Kanton Zürich, machen es Regenbogenfamilien jedoch schwer.»

Manche regionale KESB entscheidet sich beispielsweise, in jedem Fall eine Beiständin zu berufen. Ganz egal, wie die Verhältnisse des lesbischen Paares sind.

Ehe für alle geburt
Eine Mutter hält ihr Baby. (Symbolbild) - Pixabay

«Im Alltag haben die Familien mit ihren Beiständen kaum etwas zu tun», so Hochl. «Dennoch ist es ein ungerechtfertigter Eingriff in die Privatsphäre.» Zudem besteht das Risiko, dass schliesslich der Samenspender als Vater eingetragen wird.

«Das allerdings würde überhaupt nicht zum Kindeswohl beitragen. Der Samenspender ist ja eben gerade kein Elternteil. Das Kind hat bereits zwei Eltern.»

Verschwendetes Geld

Dazu kommt, dass eine Beistandschaft immer auch Geld kostet. «Dieses Geld ist verschwendet. Das ist schade, KESB und Kanton könnten es an anderen Stellen effektiver einsetzen.»

Für Hochl liegt die Lösung auf der Hand. «Die Ehe für Alle inklusive Zugang zur Samenspende für lesbische Paare in der Schweiz würde das Problem ganz einfach lösen.» Warum man darüber überhaupt noch diskutiert, versteht sie nicht.

Ehe für alle
Ein homosexuelles Paar demonstriert für ihr Recht zu heiraten. - Keystone

«Frauen und Männer dürften die Kinder ihrer gleichgeschlechtlichen Partner adoptieren. Entsprechend steht fest, dass das Wohl der Kinder durch homosexuelle Eltern genau gleich gut gewahrt ist, wie bei heterosexuellen Eltern.»

Der bestehende Ausschluss homosexueller Paare von der Samenspende sei deshalb «diskriminierend und verletzt die Bundesverfassung».

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