Männer sterben früher als Frauen. Ein Grund ist, dass viele zu selten oder spät zum Arzt gehen – weil sie sich und ihre Gesundheit überschätzen.
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Eine Ärztin beobachtet, dass viele Männer erst auf Drängen ihrer Frau oder Partnerin zu ihr kommen. (Symbolbild) - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Männer überschätzen sich und ihre Gesundheit.
  • Oftmals gehen sie erst auf Drängen der Frauen in ihrem Leben zum Arzt.
  • Das kann böse Folgen haben: Ein Arzt erinnert sich an einen Mann, der ganz jung starb.
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Männer leben ungesünder als Frauen und sterben früher. Ein Grund: Sie überschätzen sich und ihre Gesundheit öfter. Oder sie haben Ängste, die sie nicht gerne zeigen – weil sie fürchten, «unmännlich» zu wirken.

Urologe Tilmann Möltgen vom Kantonsspital Aarau sagt zu Nau.ch: «Nach über 20 Jahren in der Urologie kann ich noch immer bestätigen, dass Männer weniger freiwillig als Frauen Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen.»

Auch bei Beschwerden kämen viele nach wie vor zu spät. «Männer ignorieren häufiger Symptome», sagt Möltgen. Das sei bedauerlich.

Junge Männer haben mehr Hemmungen

Urologin Stefanie Cermak vom Inselspital Bern beobachtet gar: «Tatsächlich ist es oft so, dass man beim Gespräch erfährt, dass die Ehefrau oder Lebensgefährtin zur Konsultation gedrängt hat.»

Besonders jüngere Männer kämen oft spät. «Sie sind sicherlich häufig gehemmter, mit einem urologischen Problem den Arzt aufzusuchen, als Männer der älteren Generationen

Gehen Sie bei Beschwerden rasch zum Arzt?

Die Gründe dafür: Besonders bei Jungen sei es oft Scham, bei Älteren der Glaube, dass gewisse Beschwerden zum Älterwerden einfach dazugehören.

Möltgen ergänzt: «Was soll schon sein – ich habe doch nichts – das kostet doch nur unnötig», würden sich viele sagen. «Wenn Männer ohne Beanstandungen die Pubertät erreicht haben, sorgen sie sich um Karriere, Familie und Hypothek. Aber nicht unbedingt um sich selber», beobachtet der Chefarzt. «Sie sind vielleicht auch weniger empathisch anderen und sich selber gegenüber.»

Junge Männer fühlen sich «häufiger unverwundbar»

Männerberater Mike Mottl vom Zürcher Männerbüro vermutet auch noch andere Gründe. «Es dürfte damit zusammenhängen, dass sich junge Männer häufiger als junge Frauen unverwundbar fühlen.»

Viele würden es – vielleicht auch nur insgeheim – «unmännlich finden», Schwäche zu zeigen. Also sich zum Beispiel einzugestehen, dass sie Hilfe benötigen. «Wir Männer haben nicht oder nur dürftig gelernt, Schwächen zu zeigen», erklärt Mottl.

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Viele Männer gehen zu spät oder zu selten zum Arzt. (Symbolbild)
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Das kann böse Folgen haben. (Symbolbild)
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Geht man mit Beschwerden zu spät zum Arzt oder zur Ärztin, endet es im schlimmsten Fall tödlich. (Symbolbild)
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Dabei könnte etwa Hodenkrebs operativ geheilt werden, wenn man ihn frühzeitig erkennt. (Symbolbild)
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Zu den Gründen gehören Scham, Angst, zu wenig Empathie mit sich selbst oder das Gefühl, unverwundbar zu sein. (Symbolbild)

«Wir werden sehr früh dazu erzogen, dass wir coole, starke Männer sind. Schwächen und seine empfindlichen Seiten zu offenbaren, passt nicht ins ‹Konzept Männlichkeit›.»

Das kritisiert der Männerexperte. «Dabei haben wir Männer nicht weniger empfindliche Seiten als Frauen. Wir haben aber weniger gut gelernt, damit umzugehen.»

Viele Männer kommen erst mit fortgeschrittenem Hodentumor

Das kann böse Folgen haben. «Leider ist es keine Seltenheit, dass sich junge Männer mit einem fortgeschrittenen Hodentumor auf unserer Notfallstation einfinden. Sie berichten dann, dass sie schon seit Monaten eine Veränderung am Hoden getastet haben.» Dabei hätte der Krebs in einem frühen Stadium noch operativ geheilt werden können.

Urologe Tilmann Möltgen erinnert sich an einen Fall aus seiner Anfangszeit als Assistenzarzt, der tödlich endete. «Ein junger Mann hatte den dringenden Verdacht auf einen Hodentumor. Er hat in vielen Gesprächen verweigert, operiert zu werden.»

Können Sie gut mit Ihren Gefühlen umgehen?

Diese Diagnose sei dann Monate später bestätigt worden, als er wegen einer Hirnmetastase einen epileptischen Anfall bekam. «Er ist daran gestorben und hat viele Lebensjahre weggeworfen. Ich habe das lange nicht akzeptieren können, aber wir können nur denen helfen, die das auch wollen», sagt der Chefarzt.

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Als junger Assistenzarzt erlebte Urologe Tilmann Möltgen, wie ein Mann eine OP verweigerte und jung starb. - Kantonsspital Aarau

Seither sei er immer froh, wenn sich ein Mann bei Beschwerden einen Ruck gibt und einen Arzttermin vereinbare. «Meistens ist es nichts Schlimmes und alle sind beruhigt. Aber eine hässliche Wahrheit ändert sich nicht vom Wegschauen.»

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