Lawinen-Tragödie: Siehst du das am Berg, solltest du umdrehen
In den Schweizer Alpen häufen sich tödliche Lawinenunfälle. Experten mahnen zur minutiösen Tourenplanung und warnen vor winterlichen Verhältnissen im Frühling.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Lawinengefahr bleibt im Hochgebirge auch im Frühling bestehen.
- Die Zahl der Lawinentoten ist in der Schweiz stabil bei rund 22 Opfern jährlich.
- Am Rimpfischhorn starben am Wochenende gleich fünf Skitouren-Gänger.
- Gute Ausrüstung und Planung sind entscheidend für sichere Bergtouren.
In den Schweizer Alpen nehmen die tödlichen Tragödien in den letzten Wochen zu. Zuletzt war es ein ganz schwarzes Wochenende.
In Zermatt wurden fünf Berggänger tot aufgefunden, drei der Opfer sind mittlerweile identifiziert. Es handelt sich um zwei Männer im Alter von 38 und 35 Jahren sowie um eine 34-jährige Frau. Alle sind Schweizer.
In Kandersteg wurde ein Skitourengänger von einer Lawine verschüttet. Auch er kam am Unglücksort ums Leben. Vergangene Woche starben zwei Alpinisten am Eiger.
Warum kommt es aktuell zu solchen Tragödien?

Im Fall von Zermatt verliessen die fünf Alpinisten am Samstag gegen 4.30 Uhr die Britanniahütte im Gebiet von Saas-Fee. Mutmasslich wurden sie im weiteren Verlauf von einem Schneebrett erfasst und stürzten in der Folge in die Tiefe.
Remo Schläpfer vom Schweizer Alpen-Club SAC weiss über das Terrain: «Nach dem Skidepot beim Sattel verläuft die Tour auf den Gipfel des Rimpfischhorn über ein markantes und steiles Couloir.»
Danach quert man in kombiniertem und exponiertem Gelände zu einem Grat. «Der Bereich zwischen Sattel und Gipfel ist aufgrund der Hangneigung und Steilheit anfällig für Lawinenniedergänge.»
Verhältnisse wie im tiefen Winter
Kommt dazu: Der Neuschnee der letzten Woche hat die Lawinenniedergänge begünstigt. «Im Hochgebirge herrschen aktuell vielerorts noch winterliche Verhältnisse», erklärt Jürg Trachsel vom Institut für Schnee und Lawinenforschung SLF.
Dies sei nicht unbedingt typisch für den Frühling, nach Schneefällen aber durchaus möglich – sogar im Sommer.
Ist es also eine (zu) grosse Sorglosigkeit der Alpinisten?
Nicht unbedingt, meint Trachsel. Das Wissen über die Lawinengefahr habe in der Bevölkerung in den letzten Jahren zugenommen.
Das lässt sich auch mit Zahlen belegen. Trachsel: «Wir wissen, dass heute viel mehr Menschen abseits der Pisten im Tourengelände unterwegs sind als in den Dekaden vorher.»
Mehr Leute in den Bergen, aber nicht mehr Todesopfer
Die Zahl der Opfer sei aber konstant bei 22 pro Jahr geblieben. «Das ist grundsätzlich eine gute Entwicklung, auch wenn jeder Unfall einer zu viel ist.»
Oft seien die Wintersportler, die abseits der Pisten unterwegs sind, gut ausgerüstet und ausgebildet. «Sie machen auch vieles richtig bei der Wahl ihrer Abfahrten.»
Denn: Die Vorbereitung auf die Bergtour ist in der Unfallprävention nach wie vor die wichtigste Massnahme. «Allgemein ist es wichtig, die Bedingungen laufend zu beurteilen – dies bereits vor der Tour und dann natürlich auch unterwegs.»
Dem pflichtet Schläpfer vom SAC bei: «Eine eigenständige und sorgfältige Beurteilung der Lage ist von grosser Bedeutung.»
Auch Trachsel sagt: «Wer im Hochgebirge unterwegs ist, trägt eine hohe Eigenverantwortung.»
Viele Informationen für eine perfekte Vorbereitung
Doch wie bereiten sich Berggänger auf ihre Touren vor? «Zuhause geht es darum, möglichst viele Informationen zu sammeln, um sich damit ein erstes Bild zu machen», sagt Trachsel. Dazu gehören Wetterprognosen, Webcams oder auch Erfahrungsberichte.
Anhand dieser Daten sollte dann ein geeignetes Tourenziel ausgewählt werden. «Auf der Tour geht es darum, das vorhandene Bild laufend zu ergänzen und auch zu korrigieren.»
Dabei gehe es vor allem um folgende Fragen: «Sind die Verhältnisse wirklich so, wie ich sie mir zuvor vorgestellt habe? Hat es mehr Neuschnee oder Wind als erwartet? Passt die gewählte Route noch für mich und die Gruppe?»
Sollte man diese Fragen nicht positiv beantworten können, bleibt gemäss Trachsel nur eins: «Eine neue Route suchen oder umkehren.»
Im Zweifelsfall einen Bergführer konsultieren
Eine Umkehr war für die verunfallten Personen am Wochenende nicht mehr möglich.
In Zermatt war die Kantonale Walliser Rettungsorganisation (KWRO) an der Bergung beteiligt.
Zu den genauen Umständen des Unfalls wollte sich die Organisation nicht äussern. «Diese sind Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.»
Auch die KWRO betont die Wichtigkeit einer minutiösen Vorbereitung. Und: «Grundsätzlich empfehlen wir, sich in den Bergen mit der nötigen Vorsicht zu bewegen und im Zweifelsfall einen Bergführer zu konsultieren.»