Viele Wechsel und Kommunikationspannen: Beim BAG läuft es nicht gerade rund. Ein Krisenkommunikations-Experte ordnet ein.
Stefan Kuster
Der abtretende Leiter für Übertragbare Krankheiten Stefan Kuster nach einer Pressekonferenz vom 22. Juli. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Kusters Abgang und die Pannen in der Kommunikation lassen das BAG wackelig dastehen.
  • Zu viele Pannen schaden der Glaubwürdigkeit, sagt Krisenkommunikationsexperte Jan Karbe.
  • Die Auftritte von der Person in Richtung Sache zu verschieben, sei ein sinnvoller Ansatz.

Mitten in der Pandemie verlässt der «Mister Corona» das BAG. Zum zweiten Mal: Der abtretende Leiter Übertragbare Krankheiten, Stefan Kuster, hat sein Amt erst im April von Daniel Koch übernommen. Zudem wechselt Ende September die oberste Chefetage des BAG die Hände: Anne Lévy ersetzt Pascal Strupler.

Nebst den vielen Wechseln zu Krisenzeiten hat sich die Behörde in den letzten Monaten einige Kommunikationspatzer erlaubt: Das BAG gab etwa fälschlicherweise bekannt, dass Clubs und Restaurants die grössten Ansteckungsorte seien. Zudem vermeldete es einen Corona-Toten unter 30, der gar nicht tot war.

Zu viele Pannen schaden Glaubwürdigkeit

Die Defizite in der Kommunikation und die vielen Wechsel erwecken nicht gerade den Eindruck von stabiler Führung durch die Krise. Ist dieses Empfinden berechtigt? Jan Karbe, Dozent für Risiko- und Krisenkommunikation an der Zürcher Hochschule der Angewandten Wissenschaften (ZHAW), ordnet ein.

«Ich habe seit dem vergangenen März einen zwiespältigen Eindruck vom BAG gewonnen», sagt Karbe. Zwar habe sich das BAG beim Vermitteln seiner Botschaften lehrbuchmässig verhalten und seine Aussagen waren nachvollziehbar. Doch das Amt habe sich zu viele Kommunikationspannen geleistet.

Stefan Kuster
Stefan Kuster, abtretender Leiter Übertragbare Krankheiten beim BAG. - Keystone

Karbe: «Solche Pannen sind in einer Krise verheerend, denn die Glaubwürdigkeit erodiert und das Vertrauen der Öffentlichkeit schwindet.» In einer Krise seien Stabilität und Einheitlichkeit in Auftritt und Kommunikation «enorm wichtig», so Karbe. «Sie sind das Fundament der Glaubwürdigkeit.»

Besser kein Mister Corona?

In anderen Ländern hingegen scheint die Krisenführung stabil: Die führenden Köpfe seit Beginn der Pandemie sind weiterhin die Leitfiguren. Dazu gehört beispielsweise der schwedische Chefepidemiologe Anders Tegnell oder Anthony Fauci, Chefimmunologe der USA.

Gewissermassen hatte Daniel Koch zu Beginn der Pandemie eine solche Rolle inne. Er war präsent und genoss das Vertrauen der Bevölkerung. Jan Karbe zufolge war das jedoch Teil des Problems. «Stefan Kuster hat eine 'Mission Impossible' angetreten», sagt Karbe. «Die Präsenz seines Vorgängers über sein Ausscheiden beim BAG hinaus habe ich als zu dominant empfunden.»

Daniel Koch Pascal Strupler
Daniel Koch (links), ehemaliger Leiter Übertragbare Krankheiten beim BAG und Pascal Strupler, abtretender Direktor des BAG, an einer Pressekonferenz im Februar. - Keystone

Der neue Mister Corona konnte dem alten das Wasser also gar nicht reichen. Karbe hält die Zuschreibung als Mister oder Mrs. Corona ohnehin für nicht angemessen:

«Eine medial derart überhöhte Wahrnehmung einer Position ist der Sache nicht dienlich. Das Bild nützt sich schnell ab und dann wird es fast unmöglich, weiterhin überzeugend und glaubwürdig zu bleiben.» Dieser Effekt sei auch gewissen Medien zuzuschreiben, so Karbe weiter.

Verteilung auf mehrere Schultern ist «sinnvoll»

Nun will das BAG die Aufgaben des Mister Corona auf mehrere Schultern verteilen. Die Auftritte von der Person in Richtung Sache zu verschieben, sei ein sinnvoller Ansatz, sagt der Krisenkommunikations-Dozent Karbe. «Aber dabei muss die Einheitlichkeit der Inhalte und Auftritte oberste Maxime sein.»

Was bräuchte es denn, damit das BAG ruhig und vertrauenswürdig wirkt? Laut Karbe entscheidet nicht nur die Kommunikation über die öffentliche Wahrnehmung. «Es geht hier um das überzeugende Vermitteln von Wissen, Verhalten und um Einstellung gegenüber dem Gesamtproblem. Ich habe meine Zweifel, ob das BAG hier ausreichend konzeptionell vorgegangen ist.»

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