Kids essen Chips zum Zmittag – Eltern nehmen sich aus Pflicht

Bettina Zanni
Bettina Zanni

Aarau,

Einer Ernährungsberaterin fallen regelmässig Kids auf, die sich über Mittag ungesund ernähren. Sie appelliert deshalb an die Eltern – und trifft auf Widerstand.

Chips
Ernährungsberaterin Moana Werschler war erschüttert, als sie eine Schülerin über Mittag Paprikachips essen sah. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Rund 20 Prozent der Kids essen wöchentlich Fastfood.
  • Chips zum Zmittag sind für Ernährungsberaterin Moana Werschler ein neuer Höhepunkt.
  • Auf ihren Appell für gesunde Ernährung reagieren Eltern empfindlich.

Eine Gruppe Schüler stürmt in einen Zürcher Kiosk. Es ist Freitagmittag um 12 Uhr. Zurück kommen sie nicht etwa mit Sandwiches.

Jeder hat ein buntes Päckchen dabei: Schleckpulver gibt es zum Zmittag.

Ähnlich sah das Mittagessen einer Schülerin aus, die Ernährungsberaterin Moana Werschler kürzlich in Aarau AG aufgefallen ist.

Mittags war sie in der Stadt unterwegs und setzte sich zum Essen hin.

Neben ihr habe ein Teenager-Mädchen gesessen, sagt Werschler zu Nau.ch. «Es ass zum Zmittag Paprikachips. Auch hatte es eine Tafel Schokolade dabei und trank einen Energy-Drink.»

Kids essen zu viel Zucker und Salz

Die erstmals durchgeführte Studie «menuCh-Kids» des Bundes bestätigt, dass Kinder und Jugendliche bei gesunder Verpflegung Aufholbedarf haben.

Rund 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen essen unter der Woche in der Schule zu Mittag. Bei den älteren Jugendlichen kaufen aber rund 15 Prozent auswärts etwas zum Mittagessen.

Wie ernährst du dich über Mittag?

Rund 20 Prozent der 6- bis 17-Jährigen essen wöchentlich Fastfood wie Hotdogs oder Pommes frites. Bei älteren Buben ist der Fastfood-Konsum höher.

Jugendliche essen seltener Schokolade und Süssigkeiten, aber häufiger Backwaren und Fastfood als jüngere Kinder. Die deutschsprachigen Kinder und Jugendlichen konsumieren insgesamt am meisten Snacks.

Im Schnitt essen Schweizer Kids zirka 95 Gramm zuckerhaltige Lebensmittel und Desserts pro Tag. Dies ist viermal so viel wie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen.

Auch konsumieren sie mit 16 Gramm Salz pro Tag knapp das Vierfache der empfohlenen Menge.

Chips-Zmittag von Meitli «erschüttert» Expertin

Zum Zmittag nur Chips futtern ist für Moana Werschler ein neuer Höhepunkt.

«Viel zu oft sehe ich Schülerinnen und Schüler mittags mit Fastfood», sagt Werschler. Hamburger und Pommes von McDonald's oder Schinkengipfeli und Fertigpizza sind ihren Beobachtungen zufolge beliebt.

Die Ernährungsberaterin gibt auf Instagram als «Miss Broccoli» regelmässig Tipps, um Kindern gesundes Essen schmackhaft zu machen.

«Das hat mich echt erschüttert», schrieb sie in einem Post auf Instagram über das Chips-Mittagessen des Mädchens. «Auch wenn es natürlich eine Momentaufnahme war.»

Sie appellierte deshalb an die grosse Verantwortung der Eltern. «Bitte gebt euren Kindern ein gesundes Essverhalten mit auf den Weg!»

Eltern verteidigen sich

Mit ihrem Appell hat die Ernährungsberaterin in ein Wespennest gestochen.

In den Kommentaren zu ihrem Post reagieren einige User empfindlich auf den Appell.

Sie finde das Beispiel schwierig gewählt, um auf die Verantwortung der Eltern hinzuweisen, schreibt eine Userin. Es gehe hier nicht um ein kleines Kind, sondern um einen Teenie.

«Da kann man zu Hause eine gesunde Ernährung vorleben und auch gesunde Snacks mitgeben.» Aber man habe absolut keinen Einfluss darauf, was diese sich unterwegs oder im Schulkiosk kauften.

Mutter: «Kann ich nicht kontrollieren»

Eine Mutter schreibt, dass sie zu Hause auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung achte. Zucker und Chips würde sie auch nicht verteufeln. «Aber wenn mein Kind draussen sich eine Tüte Chips holt, kann ich es nicht kontrollieren.»

Chips
Moana Werschler hat den Eindruck, dass gesunde Ernährung in vielen Familien zu kurz kommt. - zVg.

Ähnlich sieht es eine andere Mutter.

«Mich stört nicht, wenn mein Kind auswärts Ungesundes isst», schreibt sie. Zu Hause koche sie wann immer möglich gesundes Essen und gebe Früchte und Gemüse.

Sie fragt, wozu sie ihrem Kind ein gesundes Frühstück einpacke. «Wenn es sich in der Schule in der Kantine Cookies kaufen kann oder Schokobrötchen?»

«Vielen Eltern ist Ernährung ihrer Kinder nicht so wichtig»

Moana Werschler überraschen die empfindlichen Reaktionen nicht.

«Vielen Eltern ist die Ernährung ihrer Kinder nicht so wichtig oder sie wissen zu wenig darüber», sagt sie.

Das falle ihr bereits bei Familien mit kleinen Kindern auf, die sie begleite. «Zum Frühstück geben sie ihnen süsse Müesli und Nutellabrote.»

Obst und Gemüse würden oft gar nicht angeboten. «Sage ich, dass ein Farmer-Riegel zum Znüni zu süss sei, staunen sie.»

Expertin: Takeaway ist in Ordnung

Werschler hat den Eindruck, dass der Stress im Alltag mit Beruf und Familie einem gesunden Menüplan im Weg steht.

«Die Mahlzeiten enden deshalb in Fertigprodukten, die halt auch überall verfügbar sind.» Manche Eltern seien aber auch schlicht überfordert und ihnen fehle das Wissen. «Weil sie gar nie gelernt haben, frisch zu kochen.»

Werschler erwartet nicht, dass sich die Schülerinnen und Schüler über Mittag nur noch von Broccolisuppe und Linsen ernähren.

«Auch beim Takeaway etwas zu holen, ist in Ordnung», sagt die Aargauer Mutter. Gegen hin und wieder Falafel, Döner, etwas Asiatisches oder ein Birchermüesli von der Bäckerei sei nichts einzuwenden.

«Nur weil es Teenager sind, muss man nicht akzeptieren, dass sie ständig Fastfood futtern.» Stattdessen dürfe man das Thema Mittagessen auch mal ansprechen.

Ungesunde Ernährung wegen Zeitdruck

Übrigens: Knapp 90 Prozent der Eltern sind in der Studie des Bundes der Ansicht, dass sich ihre Kinder ziemlich ausgewogen ernähren.

Bei den Jugendlichen selbst stufen hingegen nur 75 Prozent ihre Ernährung als gesund ein.

Doch fehlendes Wissen über gesunde Ernährung sehen die Familien selten als Grund. Stattdessen kämpfen sie vor allem mit Zeitdruck.

Kommentare

User #3052 (nicht angemeldet)

Merke: Fastfood ist fast Food!

User #6472 (nicht angemeldet)

Nachttrag Kreb/Denken: Weil viele aber nichts an ihre Psyche/Denken ändern wollen oder können gehen sie den vermeindlich einfachen weg und glauben durch "gesund und vegan essen und sport treiben bekämen sie nie Krebs. Falsch!

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