Schul-Essen schon vor Tagen vorgekocht: Eltern sauer
Das Berner Schulessen wird bis zu drei Tage im Voraus gekocht. SVP-Politiker fordern beharrlich Verbesserungen. Nun sollen die Kinder direkt befragt werden.

Das Wichtigste in Kürze
- Das Essen in Berner Tagesschulen ist zum Teil nicht frisch, sondern wird vorgekocht.
- Die Speisen werden zentral gekocht und dann in den Schulen aufgewärmt.
- SVP-Stadträte reklamieren nach Beschwerden seitens Eltern.
- Die Stadt Bern betont die Vorteile ihrer Mahlzeitenstrategie.
- Nun soll das Kinderparlament um Feedback gefragt werden.
«Frisch Kochen! Keine vorgekochte Abfütterung!»
So kämpfen SVP-Stadtrat und leidenschaftlicher Hobby-Koch Alexander Feuz und sein Fraktionskollege Thomas Glauser für besseres Mittagessen in den Berner Tagesschulen. «Das Essen wird Tage im Voraus vorgekocht und dann aufgewärmt», enerviert sich Feuz bei Nau.ch.
«Das kann nicht gesund sein. Geschweige denn, bekömmlich», meint er.

Er selbst reagiere unverträglich auf vorgekochtes Essen und Konservierungsstoffe. «Da ist es wenig erstaunlich, dass das bei einigen Kindern auch der Fall ist.»
Ihm seien Fälle von Kindern bekannt, die nach dem Essen Bauchweh hatten.
Zudem liessen viele Tagesschulkinder das Essen links liegen – insbesondere das aufgewärmte Gemüse.
SVP-Politiker: «Kinder von berufstätigen Eltern leiden»
Feuz würde seine neunjährige Tochter gerne ab und zu in die Tagesschule schicken. Er verzichtet aber wegen der negativen Erfahrungen anderer Eltern darauf. «Meine Tochter soll sicherlich kein Gemüse essen, das Tage vorher gekocht wurde.»
Besonders Kinder von berufstätigen Eltern seien betroffen. «Diese Kinder sind auf die Mittagstische angewiesen», erklärt er.
Doch das Essen sei gemäss Rückmeldungen oft von schlechter Qualität. Heisst: «Diese Kinder leiden unter minderwertigen Mahlzeiten.»

Er ist überzeugt: «Die Eltern wollen gutes Essen für ihre Kinder. Es ist momentan aber recht teuer und ungesund. Beim Essen sollte man keine Abstriche machen.»
Dabei sollten auch die Kinder selbst miteinbezogen werden. «Wenn sie beim Rüebli rüsten oder Blumenkohl waschen mithelfen, erhalten die Kinder einen ganz anderen Bezug zum Essen.»
Mittagstisch treibt wohlhabendes Quartier um
Nau.ch weiss: Feuz ist mit seinen Ansichten nicht allein. Die Verpflegung an den Berner Mittagstischen ist in Elternräten seit Jahren immer wieder Thema.
Insbesondere im eher wohlhabenden Kirchenfeldquartier gab es in den vergangenen Monaten vermehrt Reklamationen.
Grund: Seit dem neuen Schuljahr findet der Schulunterricht nicht mehr im Schulhaus Kirchenfeld, sondern in einem Provisorium auf dem Gaswerkareal statt.
Während im Schulhaus frisch gekocht wurde, wird im Provisorium nun aufgewärmte Kost serviert. So wie in anderen Stadtteilen bereits seit Jahren.
Und: Weil der Schulweg durch das Provisorium nun länger ist, ist der Mittagstisch bei Eltern im Kirchenfeld umso mehr gefragt.
Aus Elternkreisen heisst es aber, die Rückmeldungen der Kinder seien seither nicht nur negativ. Genauso wenig, wie sie vorher immer positiv waren.
Doch einige Kinder sind sich von zu Hause frisch gekochtes Essen gewohnt – und motzen nun.
Ernährungsexpertin warnt: Aufgewärmtes Gemüse muss stärker gewürzt werden
Ernährungsberaterin Moana Werschler alias «Miss Broccoli» sagt zu Nau.ch: «Es ist immer am besten, Essen so frisch wie möglich zuzubereiten. Jegliche Lagerung lässt Vitamine verschwinden, zum Beispiel durch Hitze oder Licht. Auch jeder Zubereitungsschritt führt zu weniger Nährstoffen.»
Zudem sei nicht jedes Gericht dafür geeignet, lange gelagert zu werden – einige Lebensmittel verändern sogar den Geschmack. Deshalb müsse aufgewärmtes Essen tendenziell mehr gewürzt werden.

«Die Geschmacksknospen werden allenfalls auch stumpfer», sagt sie. «Frisches Essen, besonders frisches Obst und Gemüse, ist knackig und das merkt man definitiv am Geschmack. Das sollten auch Kinder so lernen dürfen.»
Werschler gibt bei Aufgewärmtem aber Entwarnung: «Wenn man aber nur einmal pro Woche so ein Essen vorgesetzt bekommt, ist es nicht so schlimm und vertretbar. Die Menge macht es aus.»
Stadt Bern sieht Vorteile in vorgekochtem Essen
Die Stadt Bern rechtfertigt sich bei Nau.ch für ihre Mahlzeitenstrategie. Co-Schulamtsleiterin Luzia Annen sagt: «Die zentrale Produktion von Mahlzeiten in grösseren Küchen ist räumlich umsetzbarer und günstiger als die dezentrale Lösung in vielen kleinen Küchen.»
Im Fachjargon nennt es sich «Cook & Chill», wenn das Essen zentral gekocht und später nur noch aufgewärmt wird. Dies bietet viele Vorteile gegenüber zentraler Zubereitung, bei der Essen lange warmgehalten werden muss, bevor es verteilt wird.
Die Methode sorge für bessere Qualität, weil Vitamine und Nährstoffe erhalten blieben. Geschmack, Geruch und Konsistenz blieben stabil, da kein langes Warmhalten nötig ist. Auch die hygienische Sicherheit werde durch das schnelle Abkühlen erhöht.
Zudem sei die Methode energieeffizienter, als die Speisen über mehrere Stunden warmzuhalten.
Stadt Bern stellt Qualität mit Laborkontrollen und Labels sicher
Annen betont: «Die Speisen werden am Produktionstag frisch zubereitet und können bis zu drei Tage gelagert werden. Diese Lagerdauer ist lebensmittelrechtlich zulässig und wird durch sichere Produktionsmethoden sowie regelmässige Kontrollen durch die Lebensmittelkontrollstelle abgesichert.»
Die Speisen werden regelmässig im Labor getestet. «Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass keine gesundheitlichen Bedenken bestehen. Die mikrobiologische Sicherheit ist gewährleistet.»
Sie betont: «Fälle von Essen von ungenügender Qualität sind uns nicht bekannt.»
Die Stadt Bern sammelt regelmässig Rückmeldungen zu den Menüs. Zudem überprüft das unabhängige Label «Fourchette verte» jährlich die Menüpläne und Prozesse. Dabei wird unter anderem bewertet, ob die Gerichte ausreichend Vitamine, Proteine und Gemüse enthalten.
Stadt Bern fragt jetzt Kinderparlament um Rat bei Mittagsmenüs
Klar sei: «Bei rund 18'000 Kinderessen pro Woche kommt nicht jedes Gericht bei allen Kindern gleich gut an», sagt die Co-Schulamtsleiterin. «Mit dem Anspruch an eine ausgewogene Ernährung befinden wir uns im Spannungsfeld zwischen ‹gesund› und ‹beliebt›.»
Bald aber sollen die Stadtberner Kinder die Menüs direkt bewerten und Wünsche anbringen. Annen kündigt an: «Für 2026 ist eine Feedbackrunde mit dem Kinderparlament der Stadt Bern geplant, um die Perspektive der Kinder noch stärker einzubeziehen.»
Die SVP-Stadträte Alexander Feuz und Thomas Glauser begrüssen diese kommenden Abklärungen. Ihr erster Vorstoss betreffend Essen in Tagesschulen sei vom Gemeinderat leider nicht vollständig beantwortet worden.
Zürcher Schulvorsteher ärgerte sich über «zu üppige» Älplermagronen und Co.
Nicht nur in Bern sorgt das Essen an Tagesschulen für Aufsehen. Der Zürcher Schulvorsteher Filippo Leutenegger beklagte sich kürzlich über «zu üppige» und «nicht kindergerechte» Mittagsmenüs.
Besonders Klassikern wie Älplermagronen und «Ghackets mit Hörnli» steht das FDP-Urgestein argwöhnisch gegenüber.
Der Verpflegungsanbieter «Menu and More» verteidigte sich damals bei Nau.ch. «Wenn wir von ‹üppig› oder ‹reichhaltig› sprechen, verstehen wir darunter eine grosse Auswahl», hiess es.
Dabei handle es sich aber nicht um schwere oder überladene Mahlzeiten. «Unsere Menüs sind reichhaltig im Sinne von vollwertig und gesund.»
















