Hundert Jahre nach der letzten Abstimmung lenkt ein St. Galler Vorstoss die Aufmerksamkeit erneut auf Vorarlberg. Bekommt die Schweiz bald einen 27. Kanton?
Vorarlberg feldkirch
Das Erdbeben verursachte keine bekannten Schäden. - Pixabay

Das Wichtigste in Kürze

  • Der St. Galler Kantonsrat befürwortet einen Anschluss von Vorarlberg an die Schweiz.
  • Vor 100 Jahren scheiterten die Verhandlungen an den Vorbehalten der Schweizer.
  • Der Vorarlberger Landesarchivar Ulrich Nachbaur hält einen Beitritt für unwahrscheinlich.
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Eine Mehrheit der St. Galler Regierung hat sich für den Beitritt des österreichischen Bundeslands Vorarlberg zur Schweiz ausgesprochen. Der St. Galler SP-Kantonsrat Martin Sailer selbst bezeichnete den Vorstoss möglicherweise als «eine Spinnerei», aber «unbedingt verfolgenswert».

Vorarlberg
1919 scheiterte der Vorarlberg-Anschluss an die Schweiz unter anderem an dem Vorbehalt, dass dadurch eine katholische Konfessionsmehrheit entstanden wäre (Symbolbild). - Pixabay

Für ersteres plädieren offenbar die Österreicher. Der Vorarlberger Landesarchivar Ulrich Nachbaur sagt zu Nau, er zweifle stark, ob sich bei einer seriösen, repräsentativen Umfrage eine Mehrheit für einen Beitritt zur Schweiz aussprechen würden. «Aber selbst für jene, die dafür wären, käme eine Fusion mit dem Kanton St. Gallen wohl kaum in Frage.»

Vor 100 Jahren liebäugelten Ösis noch mit der Schweiz

Es wird nicht zum ersten Mal darüber diskutiert: Bereits nach dem ersten Weltkrieg im Jahr 1919 gab es eine entsprechende Volksabstimmung. Damals befürworteten 81 Prozent der Vorarlberger Stimmberechtigten Beitrittsverhandlungen.

Das Vorhaben scheiterte schliesslich an den Vorbehalten der Schweiz: Durch den Beitritt wäre das deutschsprachige Übergewicht verstärkt worden. Ausserdem hätte er zu einer katholischen Konfessionsmehrheit geführt.

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Eine satirische Zeichnung aus dem Jahr 1919 zeigt einen französischen Koch, der der Helvetia Vorarlberg und den Völkerbund auf einem Tablett anbietet. - Keystone

Nachbaur erläutert: «Die Situation vor hundert Jahren lässt sich mit heute nicht vergleichen. Damals herrschten Elend, Not, Unsicherheit und Zukunftsangst.» Die provisorische Nationalversammlung in Wien erklärte Deutschösterreich 1918 zum Bestandteil der Deutschen Republik. «Vorarlberg hätte mehrheitlich einen Beitritt zur Eidgenossenschaft vorgezogen» – ob es aber wirklich Liebe war, stellt Nachbaur in Frage.

Kritik der Abschottung durch SRF

Für den Vorarlberger Landesarchivaren steht fest: «Der Beitritt Vorarlbergs hätte der Schweiz auch demokratiepolitisch gut getan: Ein grosser Kanton, in dem das allgemeine Frauenstimmrecht bereits Gesetz war.» Er ist der Ansicht, dass das wirtschaftsstarke Vorarlberg für die Schweiz noch heute ein Gewinn wäre.

Was aber hätte Vorarlberg bei einem Beitritt zur Schweiz zu gewinnen und zu verlieren? Nachbaur erklärt: «Was Vorarlberg wahrscheinlich entgegen käme, wäre die weitreichende und gelebte Bundesstaatlichkeit. Die können wir allerdings nicht mehr so gut mitverfolgen, seit die SRG die Grenzen dicht gemacht und die TV-Schweiz abgeschottet hat.»

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Ein Experte ist überzeugt: Vorarlberg wäre für die Schweiz noch heute ein Gewinn (Symbolbild). - Pixabay

In seinen Augen würde Vorarlberg als Kanton der Schweiz allerdings seine europäische Integration verlieren. «Und das wäre ein sehr hoher Preis. Ein Preis, der nicht nur für Vorarlberg als Exportland wahrscheinlich zu hoch wäre.»

Nachbaur hält es aber ohnehin für unwahrscheinlich, dass sich diese Frage stellen wird. Auf die Anfrage von Nau reagierte er zunächst irritiert - Er ordnete sie der Kategorie «Versteckte Kamera» unter.

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