Ist Social Media wegen KI-Videoflut bald am Ende?
KI-Videos fluten die sozialen Medien – und nehmen vielen den Reiz des Scrollens. Legen nun vermehrt Leute das Handy weg? Nau.ch hat bei Experten nachgefragt.

Das Wichtigste in Kürze
- In den sozialen Medien tummeln sich KI-generierte Videos.
- Schlecht gemachte KI-Inhalte können «langweilig und ermüdend» wirken, so ein Experte.
- Experten erklären, ob sich nun immer mehr Leute von den sozialen Medien abwenden.
40 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer weisen Symptome einer Smartphone-Abhängigkeit auf. Das brachte eine Umfrage des Vergleichsdienstes Comparis letztes Jahr ans Licht.
Besonders Kurzvideos auf Plattformen wie Tiktok oder Instagram verleiten zum endlosen Scrollen. Doch immer öfter werden Nutzerinnen und Nutzern KI-generierte Videos in den Feed gespült. Zum Beispiel herzige Tiervideos, die sich auf den zweiten Blick als unecht herausstellen.
Bei diesen künstlich erzeugten Videos und Posts handelt es sich um sogenannten «KI-Slop». Die Bezeichnung stammt vom englischen Wort für «Schweinefutter» ab.
Diese Flut an minderwertigem Inhalt verdirbt vielen die Lust an den sozialen Medien. Der Reiz, diese Inhalte zu konsumieren, schwindet offenbar, wenn man ständig deren Echtheit hinterfragen muss.
Nutzer fühlen sich durch KI-Videos «manipuliert»
«Hab schon gemerkt, wenn ich mehrere KI-Videos hintereinander bekomme, mache ich oft das Handy aus. Weil ich keinen Bock mehr habe», zitiert SRF einen Nutzer.
Das dürfte einigen so gehen. Denn die Auseinandersetzung mit KI-Videos empfinden wir oft auch als anstrengend. Denn unser Gehirn muss die Inhalte fortlaufend prüfen – und das frisst Energie.
Lara Wolfers, Professorin an der Universität Basel, bringt gegenüber dem Sender einen weiteren Punkt, der zur KI-Müdigkeit beiträgt, ins Spiel: Ein Video verliert sofort seinen Charme, wenn man realisiert, dass es KI-generiert ist.
Die Folge: «Und dann fühlt man sich manipuliert. Ich glaube, dass das das Gefühl ist, was gerade sehr unangenehm ist online.»
Doch wenden sich wirklich immer mehr Leute wegen KI-Videos von den sozialen Medien ab?
Schlecht gemachte KI-Inhalte «langweilig und ermüdend»
KI-Experte Mike Schwede sagt gegenüber Nau.ch: «Zuerst muss man mal unterscheiden zwischen schlecht gemachten ‹AI-Slop› und gut gemachten KI-Videos.» AI (Artificial Intelligence) ist der englische Begriff für KI.
Sehe man die immer gleiche Ästhetik, mit den gleichen Stimmen und Fehlern von schlecht gemachten KI-Inhalten, sei es «langweilig und ermüdend».

«Klar wird dann eine andere App genutzt», so Schwede. «Das war aber auch schon vor fünf Jahren so, als die harmonisch-langweilige Instagram-Influencer-Ästhetik ermüdend wurde.»
Er hält fest: «Und es gibt ja durchaus sehr künstlerische, anspruchsvolle KI-Creators.»
Den Trend, dass gerade jüngere Generationen das Handy gerne mal weglegen, könne man schon seit Jahren beobachten. «‹AI-Slop› kann das Ganze natürlich noch verstärken», sagt Schwede.
«Austausch wird nicht verschwinden»
Er hält jedoch fest: Die sozialen Medien seien nicht tot.
«Der Austausch mit Freunden wird nicht verschwinden», sagt Schwede. «Aber wie schon seit zehn Jahren zu beobachten ist, wird es sich von Social-Media-Plattformen zu Chat-Programmen wie Whatsapp, Snapchat und so weiter verlagern.» Zugleich würden Meta, Tiktok und Co. dafür sorgen, dass die Leute bleiben und Strategien entwickeln, «KI-Slop» zu unterbinden.
Allerdings bleiben KI-Fakes auch oft unentdeckt: «Die meisten Leute begreifen gar nicht, wenn etwas mit AI generiert wurde. Das sieht man in den Kommentaren diverser viraler AI-Reels auf Instagram. Teilweise selbst bei offensichtlichen Fehlern in den Videos.»
Kein baldiges Ende der sozialen Medien
Auch Mykola Makhortykh von der Universität Bern glaubt nicht an ein baldiges Ende der sozialen Medien: «Der Grund dafür ist, dass es viele verschiedene Nutzungsmotive gibt: Informationen finden und teilen, prokrastinieren, mit anderen interagieren oder soziales Kapital aufbauen.»

Doch gerade beim scrollenden Publikum könne «AI Slop» seine Wirkung verfehlen. Denn, so Makhortykh weiter: «Wenn meine Hauptmotivation darin besteht, spannende Inhalte zu finden, könnte ich mich tatsächlich schnell langweilen, wenn ich sehr ähnliche KI-Videos sehe, die offensichtlich künstlich wirken und mit der Zeit repetitiv werden.»
Wer soziale Medien jedoch vor allem nutze, um mit Freunden oder Familie in Kontakt zu bleiben, werde kaum abspringen: «Unabhängig von der Menge an KI-generiertem Inhalt, auch wenn dieser ablenken kann.»
Zu früh, um Fazit zu ziehen
Zwar verändert sich die Beliebtheit einzelner Plattformen. Tiktok etwa verzeichnet einen Rückgang.
Doch insgesamt steige die Internetnutzung in der Schweiz seit Jahren kontinuierlich. Makhortykh: «Meiner Ansicht nach ist es jedoch noch zu früh, um zu entscheiden, ob ‹AI Slop› zu einem radikalen Rückgang der Internet- und Mobilnutzung führen wird.»












