Ist der Schmutzli am St.-Nikolaus-Umzug rassistisch?
Ein feministisches Kollektiv verurteilt die schwarz geschminkten Schmutzli als rassistisch. Eine Diskussion um Blackfacing ist entbrannt. Braucht es ein Verbot?

Das Wichtigste in Kürze
- In Freiburg fordert eine Petition: keine schwarz geschminkten Schmutzli mehr!
- Die Organisatoren des St.-Nikolaus-Umzuges kontern die Rassismus-Vorwürfe.
- Eine Expertin stellt klar: Den Schmutzli schwarz anzumalen, sei «problematisch».
Sie gehören zum Sankt Nikolaus wie der Esel: Die Schmutzli. Doch nun ist in Freiburg ein Streit darüber entbrannt, ob sich diese überhaupt noch schwarz schminken dürfen oder nicht.
Ausgerechnet in jener Stadt, wo der Schutzpatron jedes Jahr wie ein Star gefeiert wird. Über 30'000 Personen säumen jeweils die Strassen, wenn der Sankt Nikolaus mit seinem Esel zur Kathedrale zieht.
Doch kurz nach der diesjährigen Ausgabe war Schluss mit vorweihnachtlicher Harmonie: Das feministische Streikkollektiv Freiburg hat eine Petition eingereicht. Diese fordert, den schwarz geschminkten Schmutzli-Gesichtern ein Ende zu setzen.
Denn das komme dem sogenannten Blackfacing gleich und sei deshalb rassistisch, moniert das Kollektiv.
Blackface ist ursprünglich eine Theaterpraxis, die im Mittelalter in Europa entstand. Dabei bemalten sich weisse Menschen mit schwarzer Schminke das Gesicht und haben so stereotype Verhaltensweisen angenommen, um schwarze Menschen zu karikieren.
«Ganz gleich, welche traditionellen Argumente zur Rechtfertigung vorgebracht werden, diese Praxis ist und bleibt rassistisch und beleidigend», heisst es im Schmutzli-Petitionstext.
Unterschrieben haben mittlerweile über 420 Personen.
«Verkörpert keine ethnische Identität»
Der Organisatoren des Umzuges – das Kollegium St. Michael – verteidigen sich. «Der Freiburger Schmutzli verkörpert keine ethnische Identität. Sein Aussehen stellt eine traditionelle fiktive Figur dar, keine Person mit dunkler Hautfarbe.»
Seine vollständige Schminke diene auch dazu, sicherzustellen, dass Kinder, die an die Legende glauben, nur die Figur sehen, ohne die Gesichtszüge eines verkleideten Schülers zu erkennen.

Im Gegensatz zum «Zwarte Piet» aus den Niederlanden, der Elemente kolonialen Ursprungs (Ohrringe, rote Lippen usw.) integrierte, stelle diese Schmutzli-Tradition keine Verbindung zur kolonialen Vergangenheit her, beteuern die Organisatoren.
Die schwarze Farbe stehe für Russ und Kohle, mittelalterliche Symbole der Busse.
Zudem verkörperten der Sankt Nikolaus und der Schmutzli einen symbolischen Gegensatz: Licht und Schatten. Diese Tradition, die weit vor der Kolonialisierung entstand, sei Teil eines universellen kulturellen Kontextes.
Das feministische Streikkollektiv wiederum beteuert, dass die Kritik am Blackface des Schmutzli keineswegs eine Infragestellung der Traditionen darstelle.
Aber gerade als Teil des lebendigen Kulturerbes des Kantons, habe diese Tradition auch die Verantwortung, sich weiterzuentwickeln.
Das Argument, der Schmutzli sei wegen des Russes schwarz, rechtfertige nicht die Verwendung von Blackface, so das Kollektiv.
Expertin: Wirkung ist entscheidend, nicht Intention
Die Filmregisseurin und SP-Politikerin Yvonne Apiyo Brändle-Amolo ist als UN-zertifizierte Menschenrechtsexpertin auf das Thema rassistische Diskriminierung spezialisiert.
Sie sagt: «Die schwarz geschminkten Schmutzli bei St.-Nikolaus-Umzügen sind aus heutiger Sicht problematisch, weil sie funktional an Blackfacing erinnern – selbst wenn keine rassistische Absicht dahintersteht.»

Entscheidend sei nicht die Absicht, sondern die Wirkung: «Wenn Schwarzsein mit Strafe, Bedrohung oder dem 'Dunklen' verbunden wird, berührt das reale rassistische Erfahrungen», so Brändle-Amolo.
Gleichzeitig sei wichtig zu betonen, dass der Schmutzli in seiner heutigen Form keine uralte Tradition ist. «Während der Nikolaus eine mittelalterliche Figur ist, entstand der Schmutzli erst im 19. Jahrhundert, und die vollständige Schwarzfärbung des Gesichts setzte sich noch später durch.»
Statt über Verbote zu diskutieren, wäre eine Weiterentwicklung der Tradition sinnvoll, betont Yvonne Apiyo Brändle-Amolo.
Zürcher Schmutzli ungeschminkt
In den Niederlanden werde mittlerweile beispielsweise darauf verzichtet, das ganze Gesicht schwarz zu schminken. «Stattdessen wird mit echtem Russ oder Kohle gearbeitet, die nur partiell auf Gesicht oder Kleidung aufgetragen wird – als Hinweis darauf, dass die Figur durch den Kamin gekommen ist», erläutert die Rassismus-Expertin.
Diese Lösung bewahre die Symbolik, ohne eine Hautfarbe zu imitieren oder stereotype Darstellungen wie schwarze Gesichter mit roten Lippen zu reproduzieren.
Seit 78 Jahren handhabt es etwa die St. Nikolausgesellschaft der Stadt Zürich so, dass sich der Schmutzli gar nicht schminkt.
«Unser Schmutzli ist der Freund der Kinder. Er soll ihnen nicht Angst machen. Und dafür muss man einer Person in die Augen schauen können», erklärt Philipp Heldstab, Medienverantwortlicher der St. Nikolausgesellschaft. Das habe sich bewährt, sagt er zu Nau.ch.
«Traditionen bleiben lebendig, wenn sie sich an die gesellschaftliche Realität anpassen», findet auch Yvonne Apiyo Brändle-Amolo.
Beispiele wie die St. Nikolausgesellschaft der Stadt Zürich würden zeigen, dass es möglich ist, die Figur des Schmutzli ohne schwarz angemalte Gesichter und mit neutraleren Kostümen zu gestalten. «Und dabei den Zauber des Samichlaus-Brauchs zu bewahren.»

















