Immer mehr junge Personen entscheiden sich für geschlechtsanpassende Massnahmen, besonders seit der Pandemie. Dies zeigen Beobachtungen aus Zürich und Basel.
Transgender-Prideflag
Trans-Pride-Flaggen wehen in Los Angeles. - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Immer mehr Jugendliche lassen sich geschlechtsanpassend operieren.
  • Einer von Gründen ist der Lockdown und damit verbunden viel Zeit zum Nachdenken.
  • Experten unterstützen Jugendliche bei der Selbstfindung.

Sich im eigenen Körper und dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht unwohl fühlen: Für viele Transpersonen in der Schweiz und auf der ganzen Welt Alltag. Auch viele Jugendliche sind von der sogenannten «Genderdysphorie» betroffen.

Im US-Bundesstaat Arkansas wurde jüngst ein Gesetz beschlossen, welches geschlechtsangleichende Massnahmen für Transjugendliche verbietet. Im Gesetzestext ist die Rede davon, Jugendliche vor dem «Experimentieren» zu bewahren.

In der Schweiz sind solche Behandlungen auch für Minderjährige erlaubt. Und immer mehr gefragt – gerade auch wegen der Pandemie, sagt Janna Kraus vom «Transgender Network Switzerland». Die Pandemie habe einen spürbaren Einfluss auf die Auseinandersetzung mit der Geschlechtsidentität. Durch das vermehrte Alleinsein gab es «für viele Personen erstmals Momente des langfristigen Innehaltens, des Ausprobierens».

Zahl der geschlechtsangleichenden Operationen steigt

Das belegen auch die Zahlen: David Garcia Nuñez, Leiter des «Schwerpunkt für Geschlechtervarianz» am Universitätsspital Basel, stellt einen generellen Anstieg der Anfragen bezüglich geschlechtsangleichender Operationen bei Transmenschen fest.

David Garcia Nuñez
David Garcia Nuñez ist Leiter des «Schwerpunkt für Geschlechtervarianz» am Universitätsspital Basel. - zVg

Dasselbe in der Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie am Universitätsspital Zürich, bestätigt Oberarzt Matthias Waldner. «Operationstermine sind meist weit im Voraus gebucht», so Waldner. Trotz der Covid-19-Einschränkungen habe es einen leichten Zuwachs solcher Operationen gegeben.

«Die am häufigsten durchgeführte Operation in diesem Zusammenhang ist die Geschlechtsangleichung von Mann zu Frau. Dies mittels ‹penile skin inversion›», erklärt Waldner. Dabei wird eine Vagina aus Penishaut geformt.

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Chirurgen führen einen operativen Eingriff durch. (Symbolbild) - Keystone

Am Universitätsspital Basel sind es Operationen im Brustbereich, gefolgt von Operationen im Genitalbereich. Garcia erklärt: «Operationen sollten erst ab dem 18. Lebensjahr stattfinden. Eine Ausnahme bildet die Masektomie bei Transmännern, den Eingriff kann man bereits ab 16 Jahren durchführen.»

Mehr Jugendliche setzen sich mit Thema auseinander

Waldner bestätigt ebenfalls: «Wir erleben einen deutlichen Anstieg von minderjährigen Personen, welche eine chirurgische Geschlechtsangleichung wünschen.»

Beobachtungen in Basel zeigen Ähnliches auf. «Das Durchschnittsalter unserer Patient_innen hat sich in den letzten Jahren deutlich vermindert», so Garcia. Insgesamt wurden in Basel 80 Eingriffe zur Geschlechtsangleichung durchgeführt. 2011 waren es derer nur 30.

Gesellschaftliches Klima muss stimmen

Grundsätzlich sieht der Basler Arzt Garcia kein Argument gegen das «Experimentieren» mit Geschlechterrollen. «Jede Person soll sich unabhängig ihres Alters so anziehen, bewegen, schminken, benennen lassen können, wie sie möchte.»

Jedoch gebe es einen entscheidenden Unterschied zu Personen, die sich zu einer medizinischen Behandlung entschieden haben. «Niemand bekommt Medikamente oder Operationen, weil diese Person ‹trans› ist, sondern weil ein reales Problem besteht. In der Medizin interessieren wir uns nicht für Identitäten und Labels, sondern für körperliche und psychische Umstände.»

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Studie belegt: Transgender-Kinder fühlen sich genau gleich wie andere Kinder. - keystone

Gleichzeitig stellt Garcia fest, «dass jüngere Generationen teilweise viel differenzierter mit der Durchführung von Operationen umgehen».

Besonders wichtig sei aber die soziale Transition: «Es nützt keiner Transperson etwas, wenn er oder sie einen angeglichenen Körper hat, aber zu Hause oder bei Freundinnen und Freunden nicht akzeptiert wird.» Die medizinische Behandlung würde in diesem Sinne lediglich die «Grundlage» für die Entfaltung bieten. «Wenn das gesellschaftliche Klima dies aber nicht zulässt, dann wird sich die individuelle Situation dieser Person kaum verbessern.»

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