Seit 2003 ist Paracetamol in hohen Dosierungen in der Schweiz erhältlich. Eine ETH-Professorin warnt: Seither haben sich die Vergiftungsfälle verdoppelt.
Bis Oktober 2003 waren die 500-Milligramm-Paracetamol-Tabletten die grössten, seither sind doppelt so hoch dosierte Tabletten erhältlich. Gleichzeitig verdoppelten sich auch die Vergiftungsfälle.
Bis Oktober 2003 waren die 500-Milligramm-Paracetamol-Tabletten die grössten, seither sind doppelt so hoch dosierte Tabletten erhältlich. Gleichzeitig verdoppelten sich auch die Vergiftungsfälle. - sda - KEYSTONE/AP/FRANKA BRUNS
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Das Wichtigste in Kürze

  • Paracetamol ist seit 2003 in der Schweiz in einer höheren Dosierung erhältlich.
  • Die Vergiftungsfälle haben sich seither mehr als verdoppelt.
  • Eine Professorin der ETH warnt vor dem hohen Vergiftungsrisiko und fordert Massnahmen.

Paracetamol wirkt schmerzlindernd, eine Überdosis kann jedoch tödlich sein. Seit 2003 sind die Tabletten in der Schweiz mit einer höheren Wirkstoffdosis erhältlich. Seither haben sich die Vergiftungsfälle mehr als verdoppelt.

Demnach erhöhten sich die Paracetamol-Vergiftungen zwischen 2005 und 2018 gemäss Meldungen an Tox Info Suisse von 561 auf 1188 Fälle. Dies berichtet Andrea Burden, Professorin für Pharmakoepidemiologie an der ETH Zürich, mit ihren Kollegen im Fachmagazin «Jama Network Open».

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In Apotheken werden Paracetamol und Ibuprofen weitgehend ohne Rezept verkauft. - dpa-infocom GmbH

Sie gehen davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen den vermehrten Vergiftungen und der Verfügbarkeit der 1000-Milligramm-Tabletten besteht.

Das Schmerzmittel Paracetamol ist in der Schweiz rezeptfrei in Tabletten zu 500 Milligramm erhältlich. Mit Rezept können seit 2003 auch doppelt so hoch dosierte Pillen bezogen werden. Tatsächlich gehen letztere inzwischen zehnmal häufiger über die Ladentheke als die schwächer dosierten Tabletten.

Erhöhtes Risiko einer Überdosis

Das Tückische an dem Wirkstoff: Er wirkt nicht bei jeder Person und nicht gegen alle Schmerzen. Andrea Burden warnt gemäss einer Mitteilung der Hochschule: «Ist das Medikament wirkungslos, könnte sie in Versuchung geraten, die Dosis ohne Absprache mit einer Fachperson zu erhöhen.»

Die empfohlene Maximaldosis des eigentlich sicheren Medikaments beträgt pro Tag 4000 Milligramm für Erwachsene. Schluckt man mehr, kann das zu schweren Lebervergiftungen oder sogar zum Tod führen. Mit den 1000-Milligramm-Tabletten kann die Tageshöchstdosis bereits mit wenigen zusätzlichen Tabletten überschritten werden. Das Risiko einer irrtümlichen Überdosierung hingegen sei mit den weniger hoch dosierten 500-Milligramm-Tabletten geringer, sagte Burden.

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Ärztinnen und Ärzte sollen eher die 500-Milligramm-Tabletten verschreiben, so ETH-Professorin Andrea Burden. - Keystone

Die ETH-Professorin fordert, dass zumindest die 1000-Milligramm-Tabletten nur noch in Packungen mit weniger Tabletten angeboten werden. Gerade auch deshalb, weil sich die Hinweise erhärten würden, dass sich das Medikament nicht für die chronische Schmerzbekämpfung eigne. Ausserdem sollten Ärztinnen und Ärzte eher die 500-Milligramm-Tabletten verschreiben, um das Risiko einer versehentlichen Überschreitung des Tageslimits zu reduzieren.

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