Stadt Zürich

«Hälfte grüsste nicht zurück»: Wanderer regt sich auf

Bettina Zanni
Bettina Zanni

Zürich,

Ein 20-jähriger Zürcher grüsst auf einer Wanderung oft ins Leere. Das sei respektlos, sagt er.

Wandern
Beim Wandern haben nicht alle ein «Grüezi» in den Rucksack gepackt. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Zürcher wanderte kürzlich auf den Pilatus.
  • Die Hälfte der Leute habe nicht «Grüezi» geantwortet, regt er sich auf.
  • Der Deutsche Knigge-Rat nimmt sich dem Problem an.

Frustriert kehrt ein Wanderer von seiner Tour zurück. «Ich habe mit ‹Salü› oder ‹Grüezi› gegrüsst und die Hälfte hat nicht zurückgegrüsst», sagt der 20-jährige Zürcher. Zurückzugrüssen lerne man doch bereits im Kindergarten.

Den unfreundlichen Passanten begegnete er, als er kürzlich von Alpnachstad OW auf den Pilatus wanderte. Von dort ging es zurück nach Hergiswil NW.

«Ich finde es respektlos, wenn man gegrüsst wird, dann aber nicht zurückgrüsst», sagt er. So gehe die Tradition des Grüssens langsam verloren.

«Etwa die Hälfte geht einfach vorbei»

Ähnliche Erfahrungen macht Wanderleiter Dölf Gabriel der Gruppe «Miteinander wandern» aus Zwillikon ZH.

«Etwa die Hälfte der Passanten grüsst, die andere Hälfte geht einfach vorbei», sagt Gabriel. In ländlichen Orten werde noch häufiger «Grüezi» gesagt als in städtischen und urbanen Gebieten.

Grüsst du Passantinnen und Passanten?

Wenn es explizit ums Zurückgrüssen geht, fällt die Bilanz beim langjährigen Wanderleiter etwas positiver aus als beim Zürcher Hobby-Wanderer. «Wenn ich ‹Grüezi› sage, grüsst die Mehrheit zurück.»

«Auf sich selbst fixiert»

Bleibt jemand stumm, nimmt der Wanderleiter dies nicht persönlich.

«Es gibt immer mehr Leute, die auf sich selbst fixiert sind», sagt Dölf Gabriel. So rechneten sie auch gar nicht mit einem Gruss. «Andere Wanderer schauen auf den Boden oder bemerken den Gruss nicht, weil sie in ein Gespräch vertieft seien.»

«Sicher lohnt sich ein ‹Grüezi›, wenn andere Wanderer und Spaziergänger einen bewusst wahrnehmen, zum Beispiel durch Augenkontakt.»

Tourismus und Andrang

Der 20-jährige Hobby-Wanderer hat seinen Unmut auf der Plattform Reddit zum Ausdruck gebracht. Von anderen Usern will er wissen, ob die junge Generation unerzogen sei. «Oder sind es einfach nur Touris, die gar nichts checken?», fragt er.

Wandern
Auf Reddit diskutieren User, woran es liegt, wenn am Berg die Höfllichkeit verlorengeht. - Screenshot / Reddit

Viele User sind der Meinung, dass es vom Ort abhängig ist.

Viele Leute grüssten nicht, wenn das Wandergebiet sehr touristisch und international sei, stellt ein Wanderer fest. Dasselbe sei bei grossem Andrang der Fall. Als Beispiel nennt er Zermatt und den Normalweg auf dem Grossen Mythen. «Viele Leute wissen nicht, dass am Berg zu grüssen üblich ist oder sie werden ‹grussmüde›.»

Eine Wandererin schliesst sich an. Sie sei im «hübsche Niederurnertäli» wandern gegangen. «Dort hat jeder gegrüsst.» Ob gegrüsst werde, hänge sicher vom Ort und dem Andrang ab.

Jemand schreibt, das Grüssen gerade mit den Kindern und Göttibuben geübt zu haben. «Jedem, der entgegenkommt, wird ins Gesicht geschaut und ‹Grüezi› gesagt.»

Grüssen trotz Frust

Den Deutschen Knigge-Rat beschäftigt das Thema regelmässig. Beim «Grüezi» handle es sich um einen Segenswunsch, sagt Jonathan Lösel, erster Vorsitzender des Rats. «Ich wünsche dir Gesundheit oder dass du unter dem Schutz und der Bewahrung Gottes stehst», bedeute dies.

Ein Gruss ist laut Lösel wie ein Geschenk mit Worten. «Er kostet nichts, signalisiert aber Wertschätzung.» Und wenn es schon keine Worte seien – ein freundliches Lächeln verbunden mit einem zugewandten Zunicken sei immer möglich.

Wandern
«Ein Gruss ist ein Schlüssel für Zukunftsfähigkeit im Miteinander», sagt Jonathan Lösel, erster Vorsitzender des Deutschen Knigge-Rats. - knigge-rat.de

«Menschen empfinden ein Ausbleiben des Grusses oft als Ablehnung oder Gleichgültigkeit», sagt der Knigge-Experte. Es könne verletzen, weil der eigene freundliche Impuls ins Leere laufe. Dennoch rät Lösel, trotz allem einen Gruss zu schenken – ohne Erwartung. «Nicht nach dem Motto: ‹Wie du mir, so ich dir›, sondern vielmehr: ‹Sei der Mensch, dem du gerne selbst begegnen möchtest›.»

Er vergleicht es damit, dass man einer anderen Person zum Beispiel auch die Türe aufhalten würde. Auch würde man einer älteren Person im Bus den Platz anbieten, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.

«Schlüssel für Zukunftfähigkeit im Miteinander»

In Städten und urbanen Räumen nimmt die Anonymität laut dem Knigge-Experten zu. «Man kennt sich weniger und grüsst deshalb auch seltener.» Auf dem Land sei das Grüssen noch stärker verankert, weil dort der Gemeinschaftsverbund noch stärker gelebt werde.

Die Welt sei zunehmend digital, sagt Lösel. Gerade deshalb würden die Gemeinschaft und der Kontakt mit realen Menschen wieder ein hohes Gut.

Vielleicht sei es gerade heute wieder eine gute Möglichkeit, diesen kulturellen Schatz des Grüssens wieder bewusster zu leben. Wir seien noch nie in der Geschichte der Menschheit global so vernetzt gewesen wie heute. «Zugleich waren wir aber auch noch nie so einsam und wenig verbunden.»

Für Lösel ist ein Gruss kein Relikt der Vergangenheit. «Sondern ein Schlüssel für Zukunftsfähigkeit im Miteinander.»

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Kommentare

User #1214 (nicht angemeldet)

Ich mach es inzwischen ganz einfach. Ich nehme immer ein Schild mit und da steht ... GRÜETZI !!! ... Das ist speditiv, produktiv und gleichzeitig auch noch korrekt schweizerisch! ^^

User #670 (nicht angemeldet)

Mich grüsst auch keiner... gut vlt weil ich nackt wandere aber he ihr büzliis hab gefälligst zu grüßen! Sonst seid ihr auch immer die beleidigte Leberwurst wenn man nicht grüßt

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