Grindelwald will keine neuen Hotels – Tourismuskreise irritiert
Grindelwald BE lässt keine neuen Hotels mehr zu. Schweiz Tourismus findet das den falschen Ansatzpunkt und will Touristen besser lenken und verteilen.

Das Wichtigste in Kürze
- Schweiz Tourismus findet den Hotel-Stopp von Grindelwald seltsam.
- Hotels seien der falsche Ansatzpunkt, auch im Berner Oberland seien sie nicht ausgelastet.
- Die Organisation fragt, ob temporäre Engpässe «hochstilisiert» würden.
Grindelwald im Berner Oberland wird von Touristen überrannt. So zumindest empfinden es die Bewohner und die Politik des 4300-Einwohner-Dorfes. Deshalb wurde ein Baustopp für Hotels erlassen, Projekte erhalten keine Zulassung mehr.
Die Tourismusorganisation Schweiz Tourismus sieht den Entscheid kritisch, wie SRF berichtet. «Bei den Hotels anzusetzen ist der falsche Weg», sagt Jean-Claude Raemy, Leiter Unternehmenskommunikation. Denn Hotels schafften Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Wertschöpfung. Der Entscheid von Grindelwald bezeichnet er deshalb als überraschend und seltsam.
Auch sonst macht er Grindelwald Vorwürfe: Es bestehe kein dringender Handlungsbedarf, weder im Berner Oberland, noch andernorts. «Ist die Situation wirklich so dramatisch, wie sie dargestellt wird, mit gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen? Oder werden gewisse temporäre Engpässe zu einem regionalen oder nationalen Tourismusproblem hochstilisiert?»
Hotels, auch in Grindelwald, seien noch nicht voll ausgelastet. Er schlägt vor, die Tourismusströme besser zu lenken. Sie könnten durch Werbung auch an unbekanntere Orte gelockt werden.

An der Lenkung der Touristen arbeiten auch die Jungfraubahnen, wie Sprecherin Katrin Naegeli sagt. Sie betont, dass das Unternehmen ein wichtiger Wirtschaftsmotor sei: «Wir haben in den letzten 20 Jahren über 500 Stellen geschaffen und zahlen rund 20 Millionen Franken Steuern pro Jahr.»
Man sei sich der Verantwortung bewusst. Dennoch sagt sie, man wolle noch mehr Menschen mit der Bahn in die Region bringen.
Immerhin könnte so das Problem mit den vielen Autos und den verstopften Strassen gelöst werden. Grindelwald aber klagt, dass die Infrastruktur immer wieder an ihre Grenzen komme, und meint damit nicht bloss die Strassen. Auch die Wasserversorgung und das Abfallmanagement seien betroffen.
Forscher: Müssen dringend eine Debatte führen
Tourismusforscher Romano Wyss sieht die Aussagen von Schweiz Tourismus kritisch und fordert einen Paradigmenwechsel. Die Bedenken der Bevölkerung müsse man ernst nehmen. Den Overtourismus als Problem gewisser kleiner Orte zu bezeichnen, sei nicht zielführend.
Es sei zwar eine gute Idee, Touristen besser lenken und an unbekanntere Orte bringen zu wollen sowie Hotspots abzusperren. Die Umsetzung in der Praxis aber sei schwierig.
Über den Overtourismus müsse man dringend eine Debatte führen. Und er sagt auch: «Zu versuchen, immer mehr Touristen anzulocken – diese Zeiten sind vorbei.»












