Wie sich die Schweiz gegen Overtourism wappnet
Jahr für Jahr stellt die Schweiz neue Tourismusrekorde auf. Viele Regionen klagen schon über Overtourism. Jetzt sollen Gegenmassnahmen her.

Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr Reisende besuchen die Schweiz.
- Einige Regionen kämpfen bereits mit den grossen Massen an Touris.
- Was kann die Schweiz gegen den Overtourism tun?
In immer mehr Regionen und Ländern auf der Welt wird Overtourism ein Thema. Nebst Mallorca oder Venedig haben auch bereits erste Schweizer Regionen die Nase voll von Touristen.
Für viele liegt der Fokus schon lange nicht mehr darauf, Reisende anzulocken. Vielmehr wird mit Gebühren versucht, den Massentourismus zu bremsen.
Klar ist: Kleiner wird das Problem in den nächsten Jahren wohl nicht.
«Overtourism wird auch zu uns kommen»
2023 verbuchten die Schweizer Hotels so viele Übernachtungen wie noch nie zuvor. 2024 wurde dieser Rekord gleich wieder gebrochen. Und für 2025 sieht es nach einem weiteren Rekord-Sommer aus.
Zurzeit könne man in der Schweiz zwar noch nicht von Overtourism sprechen, sagt Jürg Schmid gegenüber der «NZZ». Er ist Präsident von Graubünden Tourismus und bis 2017 Chef von Schweiz Tourismus.
«Es sind im Wesentlichen nur drei Regionen, wohin Überseetouristen in kritischen Mengen reisen: das Jungfrau-Gebiet mit Interlaken und Grindelwald, Luzern-Titlis und Zermatt», sagt Schmid.
Aber: «Der Overtourism wird auch zu uns kommen. Es ist nur eine Frage der Zeit.»
Denn auch wenn der starke Franken viele Touris noch abschrecke: Die Menschen seien bereit, immer mehr fürs Reisen auszugeben.
Arbeitsplätze, Verkehrsverbindungen und Stau
Die vielen Touristen hatten lange Zeit vor allem positive Auswirkungen für die Schweiz – insbesondere für die Wirtschaft: «Touristen bedeuteten Arbeitsplätze und Wachstum», sagt Adrian Müller von der Forschungsstelle Tourismus der Uni Bern gegenüber der «NZZ».
Und auch in sozialen Aspekten könne die Schweizer Bevölkerung profitieren. So helfe der Tourismus mit, gute Verkehrsverbindungen in abgelegene Orte zu schaffen und Kulturveranstaltungen zu finanzieren.
Aber: «Der Tourismus hat eben auch negative Folgen wie zum Beispiel Stau, weniger verfügbarer Wohnraum oder Gedränge auf öffentlichen Plätzen. Das wird immer sichtbarer», so Müller.
Umverteilung ist schwer umzusetzen
Jetzt müssen Lösungen her. Dazu hat Müller bereits ein Inputpapier an den Bundesrat verfasst.
«Wir haben über fünfzig Massnahmen untersucht, wie man mit dem zunehmenden Tourismus umgehen kann. Und es gäbe noch einige mehr», sagt Müller.

Untersucht wurde beispielsweise, wie wirkungsvoll das De-Marketing von gutbesuchten Attraktionen ist. Oder auch, wie gut sich die Touristenströme auf andere Regionen umverteilen lassen.
Beide Massnahmen seien schwer umzusetzen.
Bund will neue Tourismusstrategie
Beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) sind diese Bedenken bekannt. Deshalb wird eine neue Tourismusstrategie erarbeitet, über welche der Bundesrat voraussichtlich nächsten Sommer befinden soll.
Die neue Strategie «soll einen Beitrag zu einer ausbalancierten Tourismusentwicklung leisten», so das SECO gegenüber der «NZZ». Insbesondere der Overtourism soll darin «substanziell behandelt» werden.
Das SECO fügt an: «Overtourism hat viel mit der Wahrnehmung der Einheimischen gegenüber dem Tourismus zu tun und weniger mit Indikatoren oder Zahlen.»
«Toolbox zur Tourismussensibilisierung»
Auch die Vermarktungsorganisation Tourismus Schweiz arbeitet zusammen mit den dreizehn Schweizer Tourismusregionen und der Hochschule Luzern an Lösungen.
Es werde eine «Toolbox zur Tourismussensibilisierung», so Martin Nydegger, Geschäftsführer von Tourismus Schweiz. Der Massnahmenkatalog soll im Frühling 2026 veröffentlicht werden.