«Furz-Song»: Wie Schweizer Radios nachts mit KI-Musik sparen

Gerry Reinhardt
Gerry Reinhardt

Zürich,

Wenn alle schlafen, testen einige Privatradios KI-Musik. Radio 1, Grischa und Zürisee bestätigen die Nacht-Experimente. Die Suisa warnt, SRF verzichtet bewusst.

Roger Schawinski
Radio-1-Chef Roger Schawinski setzt nachts auf KI-Musik – tagsüber läuft das Programm mit bekannter Musik. - SRF/zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Radio 1 bestätigt ein KI-Nachtprogramm, das komplett Suisa-frei ist.
  • Radio Grischa testet nachts Produktionen, die mit KI erstellt wurden.
  • Die Suisa warnt: KI-Musik ist nicht harmlos gebührenfrei, sondern ein Rechtsrisiko.

«Ich sitze im Uber, um etwa zwei Uhr morgens, plötzlich läuft im Radio ein Song über Furzen», erzählt Thomas. Er kommt angetrunken von einer Party nach Hause und merkt sofort, dass an dieser Musik etwas nicht stimmt.

Der Titel heisst «Der fremde Furz». Ein Mann beschreibt darin, wie der Druck im Bauch steigt, der Furz raus muss und sich Blähungen ihren Weg bahnen. Wie bitte?

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KI-Musik über einen Furz, der raus muss. Dies ist in der Nacht auf Radio 1 zu hören. - Radio 1

Es war kein Traum und auch kein schlechter Scherz, was da über den Äther lief. Dahinter steckt ein Testfeld im Nachtprogramm des Zürcher «Radio 1».

Radio 1 erklärt sich «den Furz» mit einem Testprogramm

Radio 1 bestätigt auf Anfrage, dass es sich bei diesen Stücken nicht um eine normale Rotation handelt. Moderationsleiter Marc Jäggi schreibt: «Ja, bei den erwähnten Titeln handelt es sich um KI-generierte Musik. Wir testen in diesem Fenster verschiedene Technologien und Inhalte aus.»

Radio 1
Radio 1 deklariert im Webstream den Song «Der fremde Furz». - Radio 1 (screenshot)

Auch ist die KI-Strecke klar als Sparmassnahme gedacht. «Die Inhalte laufen ausschliesslich als Nachtprogramm und sind vollständig Suisa-frei. Es handelt sich um ein Experimentierfeld, nicht um ein redaktionelles Format», erklärt Jäggi.

«Gleichzeitig ermöglicht uns Suisa-freie Musik Einsparungen, die im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld notwendig sind.»

Zur Erklärung: Suisa ist eine Verwertungsgesellschaft. Sie ist Schweizer Rechteinhaberin für Musik. Wird ein Song eines Künstlers im Radio gespielt, sammelt die Suisa die Gebühren und leitet diese an den Künstler weiter.

Auch Grischa und Zürisee spielen KI-Musik

Radio 1 ist mit der KI-Nacht nicht allein. Auch Radio Grischa und Radio Zürisee setzen in den frühen Morgenstunden auf Spezialstrecken. Die Musik stammt nicht aus der normalen Rotation.

Verwaltungsratspräsident Silvio Lebrument sagt, Radio Grischa sende «in den hörerschwachen frühen Morgenstunden seit einigen Jahren alternative Musikformate». Seit Anfang Dezember wurde dieses Programmfenster aktualisiert: «Erstmals werden Songs getestet, die mithilfe von KI erstellt wurden.»

Silvio Lebrument
Silvio Lebrument, Verwaltungsratspräsident von Somedia, lässt bei Radio Grischa nachts erstmals KI-Produktionen testen. - SRF (screenshot)

Man geht mit der neuen Technik offen um, wenn nachgefragt wird. Im Webstream ist erkennbar, dass es sich um speziell produzierte Inhalte handelt. «Es wird zwar ein Songtitel, jedoch kein klassischer Band- oder Künstlername in der Bauchbinde ausgewiesen.»

Radio Zürisee spielt «Musig vo morn scho hüt»

Ähnlich argumentiert Radio Zürisee, das sein Nachtprogramm mit Hinweisen wie «Radio Zürisee Nightshift. Musig vo morn scho hüt» und «frischi Musig us unserem digitale Klanglabor» bewirbt.

Daniel Merkle
Daniel Merkle, Geschäftsführer von Radio Zürisee, setzt im Nachtprogramm auf suisa-freie Musik – bei Bedarf auch mit KI-Unterstützung. - zvg

Geschäftsleiter Daniel Merkle schreibt auf Anfrage von Nau.ch: «In den Nachtstunden verwenden wir – wie viele andere Sender – Suisa-freie Musik. Der Entscheid beruht vor allem auf wirtschaftlichen Überlegungen.»

Findest du es okay, wenn Radiosender nachts KI-generierte Musik spielen?

Fairerweise muss man sagen: Die Nachtstrecken auf Radio Zürisee und Radio Grischa kommen näher an normale Radiomusik heran als die Experimente auf Radio 1.

Die Titel fallen im Nachtprogramm kaum auf; als künstlich generiert sind sie für Laien praktisch nicht erkennbar. Wie eine Hörprobe ergab, wirken sie wie ganz normale Soft-Pop- und Lounge-Tracks, nur ohne bekannte Stimmen oder Bands.

Suisa warnt die privaten Radiostationen

Doch ganz so einfach ist das nicht. Suisa sagt, Musikmodelle seien «zum allergrössten Teil mit bestehenden, urheberrechtlich geschützten Werken trainiert worden.» Dies geschehe, «ohne die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber um Erlaubnis zu bitten».

Radios gehen damit «ein beträchtliches Risiko» ein, weil Urheberrechte potenziell verletzt werden und Ansprüche entstehen könnten, schreibt Suisa-Kommunikationschef Giorgio Tebaldi.

Giorgio Tebaldi
Giorgio Tebaldi, Kommunikationschef der Suisa, warnt vor rechtlichen Risiken beim Einsatz von KI-Musik im Radio. - Linkedin

Die Suisa hat «bereits mit verschiedenen Radiostationen über die Verwendung von rein KI-generierten Musikstücken gesprochen» und auf diese Risiken hingewiesen.

SRF und CH Media sind KI-frei

Beim Service public ist diese Diskussion bekannt, im Programm von SRF aber kein Thema. Die Medienstelle schreibt dazu: «SRF setzt weder selber produzierte oder beauftragte KI-generierte Musik noch KI-generierte Musikstrecken ein.»

Auch die Radiosender von CH Media verwenden keine KI-Musik, wie Nicola Bomio, Leiter Radio gegenüber Nau.ch erklärt.

Wo hörst du am häufigsten Radio?

Aber nochmals zurück zur «Furz-Musik» von Radio 1.

Wie lässt sich solch ein eher schräger Sound mit einem Premium-Anspruch vereinbaren, den sich der Sender gerne zuschreibt?

Moderationsleiter Marc Jäggi zieht dabei die Grenze beim Tagesprogramm. «In der Nacht, wo kaum Radio gehört wird, erlauben wir uns Experimente und Effizienzgewinne. Das steht für uns nicht im Widerspruch, sondern ist Teil eines verantwortungsvollen Umgangs mit Ressourcen.»

Marc Jäggi
Marc Jäggi, Mitglied der Geschäftsleitung von Radio 1, lässt nachts KI-generierte Musik als Teststrecke laufen. - Radio1.ch

Für Thomas im Uber war es am Ende einfach ein verstörender Furz-Song mitten in der Nacht. Für die Radios ist es der Einstieg in eine zweite Musikwelt aus der Maschine. Günstig, rechtlich heikel und für das Publikum vorerst gut versteckt.

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Kommentare

User #3052 (nicht angemeldet)

"Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr ist hässig wegen Problemen im Schweizer Asylsystem: «Beat Jans sollte dringend in die Türkei reisen.» Am Dienstag teilte er an einer Medienkonferenz gegen Bundesrat Beat Jans aus. Fehr sieht Baustellen im Asylbereich, die von Bern nicht – oder nur zu zögerlich angepackt werden." Wo er Recht hat, hat er Recht!

User #2590 (nicht angemeldet)

Nau schreibt ja auch Artikel mit KI…

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