Flughafen Zürich: Führen leisere Jets zur Aufhebung der Nachtsperre?
Funkstille von 23 bis 6 Uhr: Wie lange kann Zürich noch an der Nachtsperre festhalten, wenn die ganze Welt bereits rund um die Uhr fliegt?

Das Wichtigste in Kürze
- Der Flughafen Zürich unterliegt seit Jahrzehnten einer strengen Nachtsperre.
- Hauptgrund sind die Lärmauflagen des Bundes – denn dieser hat das letzte Wort.
- Auch wenn Flugzeuge leiser werden – die Nachtsperre bleibt vorerst.
Während Flughäfen weltweit rund um die Uhr starten und landen, herrscht am Flughafen Zürich zwischen 23 und 6 Uhr Funkstille.
Das Nachtflugverbot – ursprünglich aus Lärmschutzgründen eingeführt – bleibt hartnäckig bestehen.
Doch der Luftverkehr boomt, moderne Flugzeuge sind deutlich leiser geworden, und die Nachfrage nach internationalen Verbindungen wächst unaufhaltsam. Wie lange kann sich Zürich diese nächtliche Pause noch leisten – ohne im internationalen Wettbewerb den Anschluss zu verlieren?
Flugbetrieb am Zürcher Flughafen herrscht zwischen 6 und 23.30 Uhr. Starts sind grundsätzlich bis 22.45 Uhr möglich, Landungen bis 22.55 Uhr.
Die halbe Stunde von 23 bis 23.30 Uhr diene einzig als Puffer, um Verspätungen abzufangen. Das erklärt Aviatik-Experte, Thomas M. Friesacher, auf Anfrage gegenüber Nau.ch: «Flüge nach 23.30 Uhr sind nur bei unvorhergesehenen aussergewöhnlichen Ereignissen möglich.»
Wird die Sperre umgangen?
Ob man bei den unvorhergesehenen aussergewöhnlichen Ereignissen öfter mal ein Auge zudrücke, verneint Friesacher klar: «Die Sperre ist operativ wirksam und wird nicht ‹verdeckt› umgangen.» Auch 2024 habe die Zahl der Flüge zwischen 23 und 6 Uhr im niedrigen einstelligen Prozentbereich aller Bewegungen gelegen.
Zwar fliegen viele grosse Flughäfen rund um die Uhr, Zürich sei aber im europäischen Vergleich nicht allein, betont Friesacher. Auch der riesige Hub Frankfurt habe ein absolutes Nachtflugverbot – und zwar zwischen 23 und 5 Uhr.
Dass Zürich wegen der Nachtsperre im internationalen Wettbewerb zurückfallen könnte, hält Aviatik-Experte Friesacher für unwahrscheinlich.
Zürich verliert trotz Nachtsperre den Anschluss nicht
Friesacher: «Zürich kann die Nachtsperre langfristig beibehalten, ohne den Anschluss zu verlieren.» Voraussetzung sei allerdings, dass Airlines, Flugsicherung und Flughafen konsequent auf Pünktlichkeit sowie Kapazitäts- und Infrastruktur-Optimierung setzen: «Um die kritische Phase nach 23 Uhr zu entlasten.»

Friesacher betont, dass moderne Flugzeuge wie der Airbus 350 oder die Boeing 787 deutlich leiser seien als ihre Vorgänger. Doch das Lärm-Problem bleibt: «Dennoch empfiehlt die WHO für Flugzeuglärm Werte, die in vielen Siedlungsbereichen rund um Hubs trotz moderner Flotten nicht zuverlässig unterschritten werden.»
Für den Aviatik-Experten steht daher fest: «Technischer Fortschritt allein rechtfertigt keine generelle Aufhebung von Sperrzeiten.» Die Nachtsperre bleibt also vorerst unangetastet.
Zürich könnte sogar zum Vorbild werden. Friesacher weist auf eine interessante Verschiebung hin: «Der internationale Trend geht eher zu Erhalt oder Verschärfung nächtlicher Begrenzungen.»
Bund hat das letzte Wort
Die Betriebszeiten lege nicht der Flughafen fest, sondern der Bund. Das erklärt Livia Caluori, Mediensprecherin des Flughafens Zürich, auf Anfrage von Nau.ch: «Der Flughafen Zürich operiert heute mit den kürzesten Betriebszeiten unter vergleichbaren Flughäfen in Europa.»
Trotz dieses engen Korsetts zeige sich seit vielen Jahren, dass ein konkurrenzfähiger Hub-Betrieb möglich sei: «Vorausgesetzt, das Betriebszeitfenster lässt ausreichend Spielraum für den Verspätungsabbau zu.»

Besonders wichtig sei dabei die letzte halbe Stunde von 23 bis 23.30 Uhr. Caluori betont: «Ohne dieses Zeitfenster könnten insbesondere Langstreckenverbindungen nach Südamerika, Südafrika und Südostasien nicht aufrechterhalten werden.»
In den letzten Jahrzehnten sei der Flugbetrieb in Zürich sogar noch restriktiver geworden. Das erklärt Christian Schubert, Mediensprecher vom Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL, auf Anfrage: «Die Betriebszeiten des Flughafens Zürich sind in den vergangenen rund 20 Jahren in mehreren Schritten um insgesamt zwei Stunden verkürzt worden.»
Damit habe der Bund jeweils Forderungen von Bevölkerung und lokalen Behörden berücksichtigt: «Mit den heutigen Betriebszeiten besteht ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Lärmschutzes und dem Bedarf an einer funktionierenden Anbindung der Schweiz an die Welt.»