Flüchtlingsrekord: Fast so viele wie am Ende des Zweiten Weltkriegs
Trotz sinkender Asylgesuche: Die Flüchtlingszahlen sind so hoch wie seit 80 Jahren nicht – der Bund gerät unter Druck.

Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz leben über 100'000 Flüchtlinge – so viele wie seit 1945 nicht mehr.
- Würden alle Personen dazu gezählt, wären es sogar doppelt so viele.
- Die Kosten steigen – die Kantone üben Druck auf den Bund aus.
Trotz sinkender Asylgesuche verzeichnet die Schweiz so viele Flüchtlinge wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr: Über 100’000 anerkannte Flüchtlinge leben derzeit im Land. Das zeigen aktuelle Zahlen des Staatssekretariats für Migration (SEM).
Zum Vergleich: Noch vor zehn Jahren lag die Zahl bei rund 50’000, in den Nullerjahren sogar lange bei nur 25’000.
Die derzeitigen Werte entsprechen somit fast dem Stand von 1945, als sich rund 115’000 Flüchtlinge in der Schweiz aufhielten.
Schweiz könnte bereits über 200'000 Flüchtlinge zählen
Würde der Begriff «Flüchtling» breiter gefasst, wie es die Flüchtlingsorganisation UNHCR tut, wären es sogar doppelt so viele. Ende August lag die Gesamtzahl bei über 199’000, so der «Tages-Anzeiger».
Diese Zahl umfasst neben anerkannten Flüchtlingen auch Schutzsuchende aus der Ukraine (rund 70’000) sowie Menschen in «flüchtlingsähnlichen Situationen».
«Flüchtlinge» bezeichnen gemäss Schweizer Asylgesetz Personen, die an Leib, Leben oder Freiheit gefährdet sind. Darunter auch ein Teil der vorläufig Aufgenommenen.
Personen mit Schutzstatus S sind in den offiziellen SEM-Zahlen allerdings nicht enthalten. Denn bei ihnen wird nicht geprüft, ob sie die Kriterien gemäss Asylgesetz erfüllen.
Druck auf Bund wächst
Die hohe Zahl an Flüchtlingen hat auch finanzielle Folgen: Der Bund rechnet für das kommende Jahr mit 3,9 Milliarden Franken an Asylkosten.
Mehr als doppelt so viel wie 2019. Auch Kantone und Gemeinden sind zunehmend belastet. Eine vollständige Kostenübersicht fehlt bislang, wie der «Tagesanzeiger» berichtet.
Die Debatte über die Migrationspolitik verschärft sich aufgrund der hohen Kosten zunehmend. Politiker verschiedener Parteien fordern vom Bund mehr Führung: Schnellere Verfahren, konsequentere Rückführungen und bessere Steuerung.
Der Aargauer SVP-Regierungsrat Jean-Pierre Gallati geht sogar noch weiter: Laut «Tagesanzeiger» verlangt er die konsequente Anwendung der Dublin-Regeln.
Das bedeutet, keine Flüchtlinge mehr ins Land zu lassen, die via einen anderen europäischen Staat in die Schweiz eingereist sind. Oder sogar einen generellen Asylstopp. Eine solche Massnahme sei laut Asylgesetz in Ausnahmesituationen möglich.