Die Staatsanwaltschaft hat im Fall Vincenz äussert ungewöhnlich gehandelt – weshalb das Obergericht die Klage gegen Pierin Vincenz abgelehnt hat.
fall vincenz staatsanwaltschaft
Der «Fall Vincenz» könnte sich aufgrund der inkonsitenten Arbeit der Staatsanwaltschaft noch mehrere Jahre in die Länge ziehen. - keystone

Die Zürcher Staatsanwaltschaft steht erneut im Rampenlicht: Das Obergericht hat die Anklage im Fall Vincenz abgelehnt. Nun wird die Professionalität der Staatsanwälte unter dem Chefankläger Marc Jean-Richard-dit-Bressel infrage gestellt.

Das Gericht hatte die Anklageschrift als zu weitreichend und ungenau bezeichnet und sie wegen «schwerwiegender Verfahrensfehler» zurückgewiesen. Nun wird behauptet, dass externe Experten zur Prüfung der Anklageschrift im Fall Vincenz herangezogen wurden. Diese Handhabung gilt als äussert ungewöhnlich.

Experten sind sich bei Staatsanwaltschaft in Fall Vincenz einig

Rechtsprofessor Peter Kunz bezeichnete diese externe Überprüfung gegenüber «NZZ» als «nicht nachvollziehbar» und «höchst ungewöhnlich». Er betonte: «Das Verfassen der Anklageschrift fällt in die ureigene Kompetenz der Staatsanwaltschaft. Es darf nicht sein, dass der Staat solche hoheitlichen Aufgaben auslagert.»

Die Beteiligung externer Personen wirft Fragen nach möglicher Befangenheit im Fall Vincenz auf. «Ein Gutachter könnte in einem Interessenkonflikt stehen», warnt Kunz. Er betont, dass sowohl die Angeklagten als auch das Gericht darüber informiert werden müssen, wenn externe Personen hinzugezogen werden.

fall vincenz staatsanwaltschaft
Chefankläger Marc Jean-Richard-dit-Bressel im Fall Vincenz. - keystone

Auch Marcel Niggli, Strafrechtsprofessor an der Universität Freiburg, sieht dies kritisch und spricht laut «NZZ» von einem «No-Go». Staatsanwälte dürften nicht an ihren eigenen Fähigkeiten zweifeln.

Transparenz ist unabdingbar

Martin Burger, ehemaliger Präsident des Zürcher Obergerichts und Lehrbeauftragter an der Schweizerischen Richterakademie, teilt diese Ansichten. «Das Fairnessprinzip verlangt, dass keine Akten geheim bleiben dürfen», kritisiert er laut «NZZ».

Die Experten sind sich im Fall Vincenz einig: Um das Vertrauen in das Verfahren zu wahren, darf kein Makel entstehen. Daher sollte der leitende Oberstaatsanwalt erwägen, den Fall an neue Staatsanwälte zu übergeben.

Die Verhaftung des Bankers Pierin Vincenz liegt bereits sechs Jahre zurück. Trotzdem ist es wahrscheinlich, dass bis zum nächsten Prozess weitere Jahre vergehen werden. Die Ankläger müssen nun alle Zweifel ausräumen und Transparenz schaffen.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

Pierin VincenzGerichtKlageStaatNZZ