Den Kirchen, besonders der katholischen, rennen die Leute davon. Ein Experte sagt, wo die Probleme liegen und wie die Kirchen dagegen vorgehen können.
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Mehrere Nonnen sitzen in einer Kirche. (Symbolbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • 7044 Menschen verliessen 2019 die katholische Kirche im Kanton Zürich – ein neuer Rekord.
  • Dies liege vor allem an «hausgemachten Problemen», sagt ein Uni-Professor.
  • Dagegen würden nur Reformen auf allen Ebenen der Kirche helfen.

7044 Austritte: Die katholische Kirche im Kanton Zürich musste 2019 einen neuen Negativ-Rekord verzeichnen. Der bisherige Rekord aus dem Missbrauchsskandal-Jahr 2010 wurde um fast 1000 Personen übertroffen.

Im vergangenen Jahr gab es aber keinen grossen Skandal in der katholischen Kirche. Weshalb also verstärkt sich der Mitgliederschwund?

Keine Gleichberechtigung

Daniel Bogner, Dozent für Allgemeine Moraltheologie und Theologische Ethik an der Universität Fribourg, verortet die Probleme vor allem im Inneren der Kirche. «Menschen verlassen die Kirche, gerade die katholische, weil die es so wenig schafft, ihre dicksten hausgemachten Probleme abzuräumen.»

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Prof. Dr. Daniel Bogner, Lehrstuhl für Allgemeine Moraltheologie und Theologische Ethik an der Universität Fribourg - zVg

So halte sie noch immer daran fest, Männer und Frauen «vollkommen ungleich» zu behandeln, während sie gleichzeitig von der «gleichen Menschenwürde für alle» spricht, sagt Bogner.

Anderes Verhältnis zur Kirche

Diese Aussagen widerspiegeln die Zahlen im Kanton Zürich: Dort traten 2019 mehr Frauen als Männer aus der Kirche aus. Besonders ältere Frauen scheinen genug von der Ungleichbehandlung zu haben, wie Simon Spengler, Kommunikationsbeauftragter der katholischen Kirche Zürich, gegenüber Nau.ch sagte.

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Ein Gottesdienst. (Symbolbild) - Keystone

Daneben stellt Bogner fest, dass die Zugehörigkeit zu einer Religion heute nicht mehr eine «notwendige Verpflichtung» sei. «Religiös zu sein, kann heute eine unter mehreren anderen Möglichkeiten sein, dem Leben einen tiefen Sinn zu geben und diesen Sinn zu erfahren.»

Auch die neue Konkurrenz von Freikirchen mache das Ganze nicht einfacher. Denn für den christlichen Glauben «verbietet sich allzu schrilles und übergriffiges Werben» – die katholische Kirche kann also nicht in die Offensive gehen.

Reformen dringend nötig

Was also kann die Kirche tun, um ihre Schäfchen zu halten und neue anzulocken? Für Bogner keine einfache Sache: «Man müsste an verschiedenen Stellen ansetzen.» Es brauche überall Reformen.

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Gesangsbücher in einer reformierten Kirche. (Symbolbild) - Keystone

«Die Kirche müsste ihr Verständnis der hierarchischen Autorität ihrer Leitungsämter überarbeiten, die Rolle ihrer Mitglieder ernster nehmen und die Geschlechterdiskriminierung beenden.» Das alles könne aus guten theologischen Gründen geschehen, so Bogner. Denn: «Schliesslich spricht die Bibel von der gleichen Würde aller Geschöpfe!»

Schlussendlich könne der Schwund nur aufgehalten werden, wenn solche hausgemachten Probleme angegangen würden, ist Bogner überzeugt.

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