Eltern schauen in Badi aufs Handy statt zum Kind
In Schweizer Badis sind viele Eltern mehr mit dem Smartphone als mit ihren Kindern beschäftigt – und setzen damit deren Leben aufs Spiel.

Das Wichtigste in Kürze
- Eltern bemerken die Gefahr oft zu spät, wenn sie aufs Handy statt ins Wasser schauen.
- Fachleute empfehlen, Kinder bis mindestens 8 Jahre in der Badi ständig zu beaufsichtigen.
- Schwimmflügeli alleine bieten keinen ausreichenden Schutz.
Die Sonne brennt, das Wasser lockt, auf der Liegewiese wird gechillt. Viele Eltern gönnen sich in der Badi ein paar Minuten Pause, das Smartphone fest in der Hand.
In der Sonne ein wenig zu surfen, Nachrichten zu schreiben oder durch Reels zu wischen – verlockend!
Schon wenige Sekunden Ablenkung können fatale Folgen haben
Doch: Wenn Mami oder Papi beim Scrollen in den sozialen Medien versinken, bleibt der Blick aufs Wasser oft auf der Strecke.
Das kann schwerwiegende Folgen haben. Schon wenige Sekunden Ablenkung können tragisch enden.

«Eine ertrinkende Person geht in der Regel still und leise unter.» Das erklärt Sibylle Rykart vom Schweizerischen Badmeister-Verband auf Anfrage von Nau.ch.
Sie kennt solche Fälle, bei denen die Aufsichtspflicht vernachlässigt wurde und die tragisch endeten.
Auch Christoph Merki von der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG kennt das Problem.
Merki spürt, dass eine gewisse Tendenz auch in der Schweiz Einzug hält: «Dass Menschen mit dem Eintritt in die Badi auch die Verantwortung für die Kinder abgeben.»
Die Zahl der schweren Unfälle steigt an
Das ist gefährlich. «Die Verantwortung über die Sicherheit der Kinder kann nicht delegiert werden», sagt Merki.
Im Jahr 2023 starben sieben Kinder in der Schweiz durch Ertrinken – teils in Badis, teils in offenen Gewässern.
Kommt dazu: Die Zahl der schweren, aber nicht tödlichen Ertrinkungsunfälle nimmt zu. Das bestätigten Kinderkliniken gegenüber der SLRG.
Die Gefahr durchs Wasser wird unterschätzt. Und der Glaube, dass «ein paar Minuten schon nichts passieren wird», ist trügerisch.
Die Regel für die Aufsicht ist eigentlich simpel: Kinder unter acht Jahren müssen ständig begleitet werden. So sieht es auch die offizielle Norm für öffentliche Bäder in der Schweiz vor.
Martin Enz vom Verband Hallen- und Freibäder sagt es klar: «Wir empfehlen die dauernde Beaufsichtigung, bis ein Kind gut schwimmen kann – aber bis vor dem achten Geburtstag immer.»
Schwimmflügeli bieten keinen echten Schutz
Doch selbst bei älteren Kindern ist Vorsicht geboten. Denn nicht jedes achtjährige Kind kann die Risiken im Wasser einschätzen. Erst ab etwa zehn Jahren beginnen Kinder, Gefahren vorausschauend zu erkennen.
Ein weiteres Problem: Viele Eltern wiegen sich in falscher Sicherheit, wenn ihre Kinder mit Schwimmflügeli ausgerüstet sind. Die bunten Helfer sehen zwar süss aus, bieten aber kaum Schutz.
«Flügeli können abrutschen. Und sie ersetzen keine aktive Aufsicht», warnt Merki.

In offenen Gewässern sei es ohnehin ratsam, den Kleinsten gut sitzende Schwimmwesten anzuziehen. Und sie nicht aus den Augen zu lassen. Denn dort lauern zusätzliche Gefahren: Steine, Strömungen, plötzliche Tiefen, Seegras.
Im Wasser können auch scheinbar banale Dinge heikel sein. Wer mit vollem oder ganz leerem Magen ins Wasser springt, riskiert Kreislaufprobleme.
Auch Erklärungen gehören zu den Aufgaben der Eltern
Kinder sollten daher lernen, warum sie nach dem Essen warten müssen. Oder warum es gefährlich ist, direkt unter dem Sprungturm zu schwimmen. Diese Erklärungen gehören zur Verantwortung der Eltern dazu.
Wer in die Badi geht, muss bei den Kindern bleiben – nicht nur körperlich, sondern auch gedanklich. Denn Sicherheit im Wasser beginnt nicht beim Kind, sondern beim Erwachsenen.
Die erste Baderegel der SLRG lautet nicht umsonst: Kinder nur begleitet ans Wasser lassen – und kleine Kinder immer in Griffnähe beaufsichtigen.
Wer als Mutter oder Vater denkt, mit Schwimmkurs und Schwimmflügel sei es getan, irrt sich daher gewaltig. Und wer lieber aufs Handy als ins Becken schaut, riskiert mehr als ein verpasstes Selfie.