Durchfahrtskontrolle beschert Birsfelden täglich 100'000 Stutz
Eine neue Durchfahrtskontrolle in Birsfelden BL sorgt für eine Bussenflut. Um die Administration bewältigen zu können, ist zusätzliches Personal nötig.

Das Wichtigste in Kürze
- In Birsfelden BL findet seit September die Automatische Durchfahrtskontrolle (ADK) statt.
- Pro Tag kommt es derzeit zu über 1000 Übertretungen.
- Damit sind bereits etwa 1,5 Millionen Franken an Bussen zusammengekommen.
Die Automatische Durchfahrtskontrolle (ADK) in Birsfelden BL ist ein unverhoffter Kassenschlager.
Eigentlich will die Gemeinde damit verhindern, dass Autofahrerinnen und Autofahrer die Quartierstrassen nutzen, um dem Stau auszuweichen. Doch täglich kommt es zu mehr als 1000 Übertretungen. Das Bussgeld beträgt pro Fall 100 Franken – die Gemeinde nimmt jeden Tag also über 100'000 Franken ein.
Die neue Regelung gilt seit dem 1. September. Seither wird das Fahrverbot auf ausgewählten Quartierstrassen automatisch mit Kameras überwacht, die die Kennzeichen der Fahrzeuge erfassen. Wer unerlaubt durchfährt, wird gebüsst.
Unerlaubt bedeutet, dass die Strecke durchs Quartier in weniger als 15 Minuten zurückgelegt wird. Und dass es sich nicht um ein durchfahrtsberechtigtes Fahrzeug, etwa von einer Einwohnerin oder einem Einwohner oder dem lokalen Gewerbe, handelt.
«So erstaunt wie Sie»
Weil das System zu Beginn noch nicht richtig funktionierte, werden die Bussen erst seit Mitte September erhoben. Trotzdem: Seither sind also geschätzt 1,5 Millionen zusammengekommen.

Gemeinde-Vizepräsidentin Désirée Jaun bestätigt den Sachverhalt auf Anfrage. Die Sozialdemokratin sagt: «Ich bin genauso erstaunt wie Sie. Wir wollen damit die Quartiere entlasten – und nicht die Busseneinnahmen steigern.» Im Vorfeld ging man von 15 Bussen pro Tag aus.
Die Gemeinde lässt aber keine Gnade walten und stellt die Rechnungen aus. «Wir bleiben konsequent, da es sich um eine Übertretung der Verkehrsregeln handelt», sagt Jaun.
Lange Warteschlange am Schalter
Die Birsfelder Bussenflut bringt aber einigen administrativen Aufwand mit sich. Die Gemeinde hat deshalb das Personal temporär aufgestockt.
Zu Beginn war eine Stelle vorgesehen. Nun hat die Gemeinde zusätzlich eine unbefristete Stelle ausgeschrieben, sagt Jaun.
Das Pensum sei aber noch nicht fixiert – man wolle zuerst abwarten, auf welchem Niveau sich die Übertretungen längerfristig einpendeln.

Beim Schalter der Gemeindeverwaltung kommt es aktuell zu «erheblichen Wartezeiten». Auf der Website der Gemeinde poppt der Hinweis auf, dass man Reklamationen oder Rückfragen zu Bussen im Zusammenhang mit der ADK per Mail an die Gemeinde richten solle.
Auch übers Telefon ist die ADK-Auskunftsstelle aktuell nicht erreichbar. Damit werde sichergestellt, dass allen Bewohnerinnen und Bewohnern zeitnah geholfen werden kann, betont Jaun.
Glaubt mans nicht?
Jaun lässt nicht gelten, dass Autofahrerinnen und Autofahrer bewusst in die Bussenfalle gelockt würden.
«Wir haben im Vorfeld umfassend kommuniziert, Flyer an Durchfahrende verteilt und inzwischen auch die Beschilderungen auf das erlaubte Maximum auf beiden Strassenseiten ausgebaut und noch besser markiert mit Leuchtstreifen und Signallampen. Zudem handelt es sich um geltende Verkehrsschilder, die zu beachten sind.»
Auch geht die Gemeinderätin nicht davon aus, dass viele Bussen fehlerhaft sind: Vor dem Versand würden sie dahingehend überprüft, ob Adressen aus den betroffenen Birsfelder Quartieren darunter sind.
Aber es sei denkbar, dass viele Menschen bisher nicht glauben wollten, dass sie bei der unerlaubten Durchfahrt bestraft werden, weil nun kein Verkehrspersonal und keine Polizei mehr für die Kontrollen vor Ort sind.
Die Gemeinde habe sich ausserdem an führende Navigationsdienste gewandt, damit die Durchfahrtsbeschränkungen in den Routenvorschlägen berücksichtigt werden.
Leider hätten bisher nur wenige Anbieter die Anpassungen vorgenommen. Immerhin Google wolle reagieren, sagt Jaun. Man bleibe dran.
Keine Beschwerde bekannt
Es gibt auch kritische Einwohnerinnen und Einwohner, die an der Praktikabilität oder dem Datenschutz zweifeln. Jaun wiederholt, dass das System in enger Begleitung durch die Datenschutzfachstelle des Kantons sowie mit Unterstützung eines externen Verkehrsingenieurbüros erarbeitet und schliesslich durch die Gemeindeversammlung beschlossen worden sei.
Sie hat keine Kenntnis darüber, dass gegen die ADK eine Beschwerde eingegangen sei.
Über 1000 Übertretungen pro Tag – das zeigt die Not, in der sich Birsfelden wegen des Ausweichverkehrs befindet.
Jaun sagt aber auch, dass die Durchfahrten gemäss ersten Verkehrsmessungen und Rückmeldungen aus der Bevölkerung abgenommen hätten. Vor dem neuen System ist das Fahrverbot also noch öfter missachtet worden.
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Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.