Das bernische Obergericht befasst sich seit heute erneut mit dem Doppelmord von 2013 in Spiez BE. Haupttäter Massimo D. (52) verweigert erneut die Aussage.
Die Polizei sichert im Mai 2013, nach der Tat, die Umgebung des Spiezer Kinderheims ab. (Archivbild)
Die Polizei sichert im Mai 2013, nach der Tat, die Umgebung des Spiezer Kinderheims ab. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/LUKAS LEHMANN
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • 2013 wurden in einem Kinderheim in Spiez BE der Heimleiter und dessen Freundin ermordet.
  • 18 Monate später wurden die beiden Täter verhaftet: Ein Vater und sein Sohn aus Bern.
  • Das Obergericht entscheidet auf Geheiss des Bundesgerichts erneut über die Verwahrung.

Der bestialische Doppelmord im Mai 2013 schockte die ganze Schweiz: Heimleiter Bernhard B.* (53) und seine Freundin Rita B.* (51) wurden in Spiez BE mit über 100 Messerstichen regelrecht abgeschlachtet.

Erst 18 Monate später fasste die Polizei die beiden Täter: Pöstler Massimo D. (52) und seinen Sohn Jesse D. (23). Dieser war zur Tatzeit 16 Jahre alt. Die beiden Täter gingen der Polizei ins Netz, weil Jesse D. vor Kollegen mit dem Doppelmord geprahlt hatte.

Seither haben Gerichte beide Männer wegen mehrfachen Mordes verurteilt: den Sohn gemäss Jugendstrafrecht zu 48 Monaten Freiheitsentzug, den Vater zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe.

Rüffel aus Lausanne

Das Obergericht Bern kippte aber Ende 2017 die Verwahrung gegen den Vater. Diese hatte noch das erstinstanzliche Regionalgericht in Thun BE angeordnet.

Das Bundesgericht pfiff 2018 das bernische Obergericht zurück: Letzteres habe das psychiatrische Gutachten willkürlich gewürdigt. Zudem sei dieses Gutachten unvollständig.

Es brauche ein Ergänzungsgutachten. Die Lausanner Richter hiessen damit eine Beschwerde der bernischen Generalstaatsanwaltschaft gut.

Massimo D. kommt mit Gesichtsmaske

Seit heute muss das Obergericht in Bern die Frage der Verwahrung des Vaters neu beurteilen. Massimo D. wollte nicht zur Verhandlung erscheinen. Der italienischstämmige Schweizer muss aber kommen. Er erscheint heute demonstrativ mit einer Gesichtsmaske.

Seit seiner Verhaftung schweigt Massimo D. Das tut er auch heute. «Wie geht es Ihnen?», fragt ihn die Richterin. «Keine Aussage», sagt Massimo D.

«Zeigen Sie weiterhin ein deutlich grenzübergreitendes Verhalten, wenn etwas nicht so läuft, wie Sie das wollen?», versucht ihn die Richterin zum Sprechen zu bringen. Massimo D. bleibt stumm. «Ich sehe sogar unter ihrer Maske, dass Sie jetzt lachen», sagt die Richterin. Jetzt sagt Massimo D. wieder: «Keine Aussage.»

Der Doppelmörder sitzt im Langzeitvollzug im Thorberg BE. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie schätzt sich Massimo D. selber als Risikopatient ein. Er habe einen hohen Blutdruck. Bei einem Vorfall bedrohte er eine Gefängnis-Krankenschwester und zeigte ihr den Mittelfinger.

Gutacher: Sehr ungünstige Prognose

Der forensische Psychiater ist nicht erstaunt: «Herr D. hat eine hohe Kränkbarkeit und neigt zu überschiessender Affektreaktion. Hinzu kommen Strafgedanken und Drohungen», sagt der Experte bei der Befragung durch die Richterin.

Massimo D. verweigert sich jedem Gespräch mit dem Psychiater. «Die Prognosen sind ausgesprochen ungünstig», sagt der Experte.

Jesse D. hatte 2003 zusammen mit seinem Bruder mehrere Wochen im Spiezer Kinderheim verbracht. Dabei empfand er Bestrafungen als demütigend und ungerecht.

Massimo D. stiess schon damals Morddrohungen gegen Heimleiter Bernhard B. aus. Zehn Jahre später 2013 rächten sich Vater und Sohn für die vermeintlich ungerechte Behandlung des Jugendlichen.

Drohungen gegen Justiz

Die Staatsanwältin plädiert auf Verwahrung. «Massimo D. zeigt weder Einsicht noch Reue. Er verhält sich wie jemand, der überzeugt ist, das Richtige gemacht zu haben.»

Er habe zudem Drohungen gegen die Justiz ausgestossen. «Ich werde Leute nicht ermorden, sondern ich bringe sie in den Rollstuhl», rastete Massimo B. bei einem Besuch seiner Eltern im Gefängnis aus.

Es bestehe ein hohes Risiko für neue Gewalttaten, sagt die Staatsanwältin. «Er sieht sich in einer Opferrolle.» Massimo D. sage bis heute, der Haupttäter sei sein Sohn. Er sehe sich einzig und allein als Opfer von ungerechter Behandlung.

«Er will Rache nehmen an Justiz und Staat», so die Staatsanwältin. «Um dem Sicherheitsbedürfnis der Öffentlichkeit gerecht zu werden, genügt lebenslänglich nicht. Er muss deshalb anschliessend verwahrt werden.»

Massimo D. putzt sich die Ohren

Massimo D. sitzt entspannt mit verschränkten Armen da. Er putzt sich ausgiebig beide Ohren. Er schaut sich im Gerichtssaal um und fixiert eine Angehörige eines der Opfer. Die Frau hält dem bohrenden Blick tapfer stand. Dann schauen beide weg.

Die Verteidigerin sagt, eine Verwahrung von Massimo D. sei unverhältnismässig. Auch das Ergänzungsgutachten genüge den Anforderungen nicht. «Mein Mandant kann sicher nicht als hoch gefährlich eingestuft werden. Das Manipulative wird ihm angedichtet.»

Die Richterin fragt Massimo D. regelkonform zum Schluss, ob er noch etwas sagen möchte: «Ihr erstes und letzte Wort sozusagen.» Massimo D. antwortet: «Ich will nichts sagen. Verstehen Sie mich?»

Das Urteil wird am Freitag verkündet.

*Namen der Redaktion bekannt

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

VaterBundesgerichtStaatGericht