In Voralberg (A) infizierten Personen sich selbst und andere. Dieses Verhalten kann eine Haftstrafe nach sich ziehen. Wie sieht die Rechtslage hierzulande aus?
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Ein negativer (l.) und positiver Corona-Selbsttest. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Um eine Impfung zu vermeiden, infizieren mehrere Österreicher sich selbst und andere.
  • Dieses Verhalten kann eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren mit sich ziehen.
  • Auch in der Schweiz müssten Personen mit einer Freiheitsstrafe rechnen.

Wer sich mit dem Coronavirus infiziert, gefährdet nicht nur sich selbst, sondern setzt schlimmstenfalls das Leben anderer aufs Spiel. Dies geschieht im Normalfall unbewusst. Das schlechte Gewissen, wenn jemand aus dem Umfeld infiziert wird, ist dementsprechend gross.

In Voralberg (A) sind nun aber mehrere Fälle von Personen bekanntgeworden, die sich selbst und andere absichtlich infizieren. Sie wollten Impfungen umgehen.

Den Tätern droht eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren.

Grundsatz der straflosen Selbstschädigung

Gegenüber Nau.ch erklärt Raffael Gübeli, Rechtsanwalt und Notar in St. Gallen, die Rechtslage in der Schweiz.

Er sagt: «In der Schweiz gilt der Grundsatz der straflosen Selbstschädigung. So wie der Suizid(versuch) straflos bleibt, ist auch eine Selbstverletzung beziehungsweise -gefährdung grundsätzlich ohne strafrechtliche Folgen.»

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Um sich und andere vor dem Coronavirus zu schützen, werden seit geraumer Zeit Masken getragen. Was passiert, wenn sich Personen absichtlich selbst (und andere) infizieren (Symbolbild)? - sda

Trotzdem betont der Rechtsanwalt: «Das Besondere bei der Selbstinfektion ist jedoch, dass diese kaum alleine durchgeführt werden kann. Die Infektion erfordert eine willentliche Aussetzung beziehungsweise dass ein Wirt – eine bereits infizierte Drittperson – das Virus überträgt.»

Strafbarkeit bei Tod der freiwillig infizierten Person

Er führt aus: «Die vorsätzliche sowie fahrlässige Übertragung eines Virus auf eine andere Person kann unter Umständen durchaus strafbar sein». Gübeli weist dabei auf die Körperverletzungs- und Tötungsdelikte hin.

«Diejenige Person, die sich selbst absichtlich infizieren will, willigt jedoch in die Schädigung ein, sodass ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.» Der Rechtsanwalt erklärt hierbei, dass nur in eine einfache Körperverletzung ohne weiteres eingewilligt werden könne. Dies gelte nicht für eine schwere Körperverletzung oder den Tod. Er sagt: «Stirbt die freiwillig infizierte Person oder nimmt die Infektion einen lebensgefährlichen Verlauf, so ist die Strafbarkeit nicht ausgeschlossen.»

Sind Ihnen Fälle von absichtlichen Selbst-Infizierungen bekannt?

Zum möglichen Strafmass führt Gübeli aus: «Realistischerweise angenommen, dass die übertragende Person einen schweren Verlauf oder den Tod der infizierten Person nicht in Kauf nahm, ist im schlimmsten Fall mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren zu rechnen. Sowohl für den Fall der fahrlässigen Körperverletzung als auch den Fall der fahrlässigen Tötung.»

Als weiterer Tatbestand gilt die Verbreitung menschlicher Krankheiten. Hier könne ebenfalls eine Strafbarkeit vorliegen. Dies, sofern das Virus von der selbst infizierten und ursprünglich übertragenden Person «im Anschluss vorsätzlich oder fahrlässig an unbeteiligte bzw. nicht eingeweihte Drittpersonen» weiterverbreitet werde.

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Jeder dritte Covid-Patient im Genfer Unispital infizierte sich dort. - keystone

Zudem betont Gübeli: «Strafbar ist jedoch nur die Verbreitung von ‹gefährlichen› Krankheiten, wo die Meinungen bei Covid-19 auseinander gehen.»

Als gefährlich werde eine Krankheit dann eingestuft, sofern diese zum Tod oder einer schweren Gesundheitsschädigung führen könne.

Er zieht den Vergleich mit HIV und ergänzt: «Beispielsweise bei HIV wird die Frage der Gefährlichkeit mittlerweile verneint, weil sich die Behandlungsmöglichkeiten stark verbessert haben.»

Dem Rechtsanwalt sind bisher keine Strafverfahren wegen Selbstinfektionen in der Schweiz bekannt.

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