Seit über 200 Tagen ist Christian Jott Jenny (40) Gemeindepräsident von St. Moritz. Jetzt sagt er dem Luxus-Image des Ortes den Kampf an.
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St. Moritz, der Ort der Schönen und Reichen: Finalistinnen der Miss Russia-Wahl 2008 posieren am Sonntag, 17. Februar 2008 in Pelzen, im Rahmen des White Turf auf dem gefrorenen See in St. Moritz. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Christian Jott Jenny ist seit über 200 Tagen Gemeinde-Präsident von St. Moritz.
  • Der Zürcher will den Bündner Nobelort vom «Schönen und Reichen»-Image lösen.
  • St. Moritz soll ein Ort für Kunst und Kultur sein.

Herr Jenny, Sie sind heute seit über 200 Tagen Gemeindepräsident von St. Moritz. Welche Illusionen mussten Sie begraben?
Die einzige Illusion ist, dass man meint, man käme in einer Demokratie wie in der Schweiz schnell vorwärts. Wir machen den ganzen Tag neue Gesetze, neue Regeln und behindern uns selbst, anstatt vorwärts zu machen. Da sind China oder ganz allgemein Asien viel schneller als wir.

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Christian Jott Jenny, Gemeindepräsident von St. Moritz. - Keystone

Sie sind Vertreter einer neuen Generation hier in St. Moritz. Was haben Sie – abgesehen vom Dutzis mit den Mitarbeitern - bis heute bereits grundlegend verändert?
Ja, ich bin mit den meisten per Du. Was ich verändert habe - vielleicht ist der Grundgroove etwas anders. Man sagt wieder ‚St. Moritz ist cool’. Es wird nicht mehr so viel gejammert. Ich spüre immer wieder, dass die allgemeine Stimmung wieder auf die positive Seite kippt. Das ist ein gutes Gefühl.

Als Zürcher Gemeindepräsident im Bündnerland – war oder ist das nicht ein zusätzliches Handicap – immerhin sind Zürcher bei den Bündnern nicht wirklich beliebt?
Ich glaube, es traut sich keiner, es mir zu sagen. Wenn es für einige Leute ein Problem sein sollte, dass ich noch eine Zürcher Nummer habe, dann haben sie keine wirklichen Probleme. Aber zur Beruhigung – ich habe drei Zürcher und drei Bündner-Nummern.

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Welche Amtshandlung haben Sie als erstes vollzogen? Was lag Ihnen in den ersten Tagen besonders am Herzen?
Wir haben das Logo wieder zurückbuchstabiert, das schöne alte Retro-Logo mit dem «Sünneli». Ich habe gespürt, dass das eine sehr emotionale Geschichte ist, die von der Bevölkerung grösstenteils sehr positiv aufgenommen wurde.

Sie wollen den weltbekannten Werbeslogan von St. Moritz «Top oft he World» durch einen massentauglicheren ersetzen. Warum das? Damit wurde St. Moritz doch weltweit bekannt.
In der heutigen Zeit muss man aufpassen mit Aussagen, man sei «Top of the World». Man kann das sein, muss es aber nicht auf die Fahne schreiben. Eine bessere Idee habe ich nicht – ausser, dass es gar keinen Slogan braucht. Allein St. Moritz sollte für sich sprechen.

St. Moritz gilt seit Jahrzehnten als Hotspot der «Schönen und Reichen» – wollen Sie das beibehalten?
Ich finde, es wäre schön, wenn man sich durch guten Inhalt platzieren könnte, nicht nur gute Verpackung. «Hotspot für Kunst und Kultur» – das würde ich lieber lesen als «Ort der Schönen und Reichen». Es ist eine Tatsache, dass sich die wichtigsten Menschen aus der Kunst- und Kulturszene regelmässig hier in St. Moritz treffen. Das ist doch toll. Und dass auch diese oft «schön und reich» sind, ist doch auch gut.

Wie sieht Ihr St. Moritz in zehn Jahren aus?
Mein St. Moritz wird eine freundliche, offene, urbane Bergstadt sein, in der Sachen zugelassen werden, die an anderen Orten nicht möglich wären. Das Seeufer wird in zehn Jahren komplett anders aussehen. Das grösste Potential hat St. Moritz-Bad. Man muss diesen Ortsteil aufwerten.

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