Ausländer dominieren Schweizer Chefetagen
In den 100 grössten Firmen des Landes sind nur noch 51 Prozent der Geschäftsleitungsmitglieder Schweizer. Das sind so wenig wie noch nie.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Anteil von Führungskräften ohne Schweizer Pass erreicht 2025 ein Rekordhoch.
- Schweizer Unternehmen wollen zwar wieder stärker auf inländische Führungskräfte setzen.
- Die Suche nach Talenten gestaltet sich hierzulande jedoch aktuell schwierig.
Die Schweizer Chefetagen sind internationaler denn je. Laut einem Report des Personalvermittlers «Guido Schilling» sind 2025 nur noch 51 Prozent der Geschäftsleitungsmitglieder in den 100 grössten Firmen Schweizer. Das ist ein neuer Tiefststand.
Bei den börsenkotierten SMI-Unternehmen liegt der Schweizer Anteil sogar bei nur 27 Prozent. Besonders stark vertreten sind demnach Manager aus Deutschland, den USA, Grossbritannien und Frankreich.
Bjørn Johansson, einer der führenden Schweizer Headhunter mit 45 Jahren Erfahrung, hat die «unglaubliche Internationalisierung» miterlebt – und mitgestaltet. Er betont gegenüber der «SonntagsZeitung», dass es heute niemanden mehr verwundere, wenn Unternehmen keinen Schweizer CEO hätten.
Er warnt jedoch: «Es wird problematisch, wenn die Schlüsselpositionen fast ausschliesslich von Nicht-Schweizern besetzt sind.» Der Erfolg der Schweiz beruhe auf gemeinsamen Werten und Vertrauen zwischen Politik und Wirtschaft – ein Gleichgewicht, das erhalten bleiben müsse, so der Experte.
Historische Entwicklung
Bis in die 1990er-Jahre war die Wirtschaftselite in der Schweiz klar lokal geprägt. Historikerin Stéphanie Ginalski (Universität Lausanne) beschreibt sie als Männer aus grossbürgerlichen Familien, häufig Offiziere in der Armee, die eng in lokale Machtnetzwerke eingebunden waren. 1980 lag der Anteil ausländischer Führungskräfte demnach gerade einmal bei 4 Prozent.
Mit der Globalisierung stieg die Internationalität stark an – besonders hierzulande. «Die Schweiz hat neben Grossbritannien die internationalste Wirtschaftselite», wird Soziologe Felix Bühlmann in dem Bericht zitiert. Gründe seien hohe Löhne und die sprachliche Nähe für gut ausgebildete deutsche und französische Manager.

Ausserdem, beruhigt Bühlmann, gebe es auch viele ausländische Manager, die einen grossen Teil ihrer Karriere in der Schweiz verbracht hätten. Diese sollte man als «Inländer» betrachten. Er nennt als Beispiel etwa den Belgier Paul Bulcke, der Nestlé von 1979 bis 2025 prägte.
Vorteile von internationalen Managern
Die starke Internationalisierung bringt laut einigen Experten weiter auch Vorteile für die Schweizer Wirtschaft. Internationale Führungskräfte würden die Schweiz mit der Welt vernetzen und Know-how in Schlüsselindustrien wie Pharma, Maschinenbau und Finanzwesen bringen, heisst es.
Ökonom Tomas Casas i Klett von der Universität St.Gallen betont, dass es für ihn weniger entscheidend sei, ob Schweizer oder Ausländer in Schlüsselpositionen sitzen. Vielmehr würden Geschäftsmodelle damit zusammenhängen, ob Unternehmen und deren Führung eine Verantwortung für die Schweiz übernehmen würden.
Auch R. James Breiding sieht Führungsqualität unabhängig von der Nationalität, weist jedoch auf Unterschiede im Führungsstil hin. Der amerikanisch-schweizerische Wirtschaftshistoriker unterscheidet zwischen dem «Homo helveticus» – und den «Davos Men».
Bei ersteren, handle es sich um Führungskräfte, die langfristig auf Stabilität und tiefe Wurzeln setzen. «Davos Men» – in Anlehnung an das WEF – seien Führungskräfte, die kurzfristigen Shareholder-Value – also den kurzfristigen Profit – priorisieren würden. Studien zeigen, dass Letztere in Krisen häufig scheitern – so wie etwa die Credit Suisse oder die Swissair.
Swissness wieder gefragt – es fehlt aber an Schweizer Führungskräften
Headhunter Johansson hält in dem Bericht fest, dass er in den letzten drei Jahren einen Wandel bei seinen Kunden bemerkt hat: Viele Unternehmen möchten demnach «ihre Konzernleitung wieder schweizerischer machen». Dieses Anliegen habe sogar die Förderung weiblicher Führungskräfte als oberste Priorität abgelöst.

Dabei stelle sich aber ein Problem: Es gibt schlicht zu wenige qualifizierte Schweizer Führungskräfte. Die Nachfrage nach Schweizer Führungskräften übersteige das Angebot bei weitem. Schweizer Unternehmen seien überproportional gross, die Bevölkerung vergleichsweise klein.
Das begrenzte Angebot erfordert laut Johansson gezielte Talentförderung, um langfristig Schlüsselpositionen mit inländischen Kandidaten besetzen zu können.












