Stadt Zürich

Apotheker rät zum selber Haareschneiden – Coiffeure hässig

Riccardo Schmidlin
Riccardo Schmidlin

Zürich,

«Lassen Sie sich von einer Fachperson beraten.» Dieses Motto gilt für einen Zürcher Apotheker nur bei Medikamenten, nicht aber beim Haareschneiden.

Apotheker
Ein Zürcher Apotheker ruft im Magazin der Rotpunkt-Apotheken zum selber Haareschneiden auf – und verärgert so eine ganze Branche. - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Apotheker verärgert mit «Haar-Hacks» die Coiffeure im Land.
  • In einem Apotheken-Heftli gibt er nämlich Tipps, wie man sich die Haare schneidet.
  • Die Branche kritisiert: Haarschnitt ist professionelles Handwerk.

Bei diesen Ratschlägen stehen den Coiffeuren die Haare zu Berge!

In einem Apotheken-Heftli gibt der Zürcher Apotheker H.M.* auf der Titelseite seine «Haar-Hacks» zum Besten. Und stösst damit die Coiffeur-Branche vor den Kopf.

Zunächst gibts im «Rotpunkt-Journal» (monatliche Auflage: 300'000 Exemplare) ein Rezept für eine Haar-Maske. Dafür müsse man Avocado, Öl, Eigelb und Wasser zusammenmixen und in die Haare einmassieren.

Denn: «Avocados enthalten Biotin, Phytosterole sowie zahlreiche Vitamine und Mineralstoffe.»

Du verstehst nur Bahnhof?

Vereinfacht gesagt: Die aufgelisteten Stoffe fördern das Haarwachstum, stärken die Haarstruktur und tragen zu einer gesunden Kopfhaut bei. So zumindest die Theorie.

Weiter rät M., die Haare nicht zu heiss zu waschen und zu föhnen. Sonst trockneten sie aus.

Coiffeuse: «Sagen Kunden auch nicht, sie sollen Apotheken meiden»

Und dann kommts: «Wer selber Haare schneidet, sollte unbedingt eine professionelle Schere verwenden.»

Denn: «Unscharfe Haushaltsscheren knicken die Haare zusammen, und die Spitzen brechen schon nach kurzer Zeit auf.»

Das stösst der Berner Coiffeuse Annika I.* besonders sauer auf. Sie fühlt sich in ihrem Berufsstolz verletzt.

Empört macht sie die Nau.ch-Redaktion auf den Beitrag im Apotheken-Heftli aufmerksam – und schreibt: «Wie kommt man darauf, dass sich die Menschen die Haare selbst schneiden, wenn es doch dafür bestens ausgebildete Fachkräfte gibt.»

Mit «wenig fachkundigen Aussagen» torpediere man eine ganze Branche. Schliesslich habe diese durch das Aufkommen von Billigcoiffeuren ohnehin genug zu kämpfen.

Und sie ergänzt: «Wir raten ja auch nicht unseren Kunden öffentlich, dass Sie Apotheken meiden sollen.»

Coiffeur-Profi «erstaunt» über Unwissen

Nicht empört, dafür belustigt reagiert der Freiburger Coiffeur-Unternehmer Marc Riedo (bester Salon im deutschsprachigen Raum 2023) auf die «Haar-Hacks». «Ich habe den Bericht gelesen und musste schmunzeln», sagt er auf Anfrage von Nau.ch.

Marc Riedo
Marc Riedo führt sieben Coiffeur-Salons in Bern und Freiburg. - zvg

«Es erstaunt mich, wie wenig der Apotheker über Haare zu wissen scheint.» Die Haarmaske werde keine oder nur eine minimale Wirkung zeigen. Sie werde entweder weggespült oder die Proteine können nicht in die Schuppenschicht eindringen.

Er bemerkt: «Besser, dem Rat eines Coiffeurs folgen anstelle eines Apothekers. Wir arbeiten täglich mit Haaren und haben die entsprechende Fachkompetenz – genauso wie der Apotheker in seinem eigenen Fachgebiet.»

Schneidest du dir selbst die Haare?

Weiter betont Riedo: «Haareschneiden ist ein professionelles Handwerk, das gelernt sein muss. Ohne die richtige Technik und das Verständnis für Haarstruktur kann ein vermeintlich einfacher Hack schnell zu ungewollten Ergebnissen führen.»

Einen Trend zum selber Haareschneiden stellt er nicht fest – zumindest bei Erwachsenen nicht.

«Wir haben oft verzweifelte Eltern, weil ihre Kinder Coiffeur spielen wollen und sich oder den Nachbarskindern die Haare geschnitten haben. Auch hier: Es wird selten gut!»

Coiffeur-Präsident: «Schmerzt uns»

«Voll und ganz» teilt die Kritik an den Tipps Damien Ojetti, Zentralpräsident des Branchenverbands Coiffuresuisse. «Wir sind Profis und es schmerzt uns, dass unser schöner Beruf auf ‹Bastelei› reduziert wird», sagt er zu Nau.ch.

damien ojetti
Damien Ojetti ist der Zentralpräsident von Coiffure Suisse. - coiffuresuisse.ch

Denn: «Unser Ziel, Menschen zu verschönern und ihnen ein gutes Gefühl zu geben, ist Teil unserer DNA.»

Und er betont: «Das Ergebnis eines Haarschnitts ist nicht das Werk einer Schere, sondern der Hand, die ihn ausführt.»

Apotheker will Coiffeur-Kritik nicht kommentieren

Zahlen dazu, wie viele sich die Haare selber schneiden, statt zum Coiffeur zu gehen, hat Coiffuresuisse keine. «Ich persönlich glaube, dass dies aus verschiedenen Gründen, unter anderem wirtschaftlichen, schon immer existiert hat.»

Der Apotheker und Haar-Hacker H.M. will sich gegenüber Nau.ch nicht zur Kritik äussern.

Stattdessen leitet er die Anfrage an die Marketing-Abteilung der Rotpunkt-Apotheken weiter. Doch auch diese bleibt stumm. «Wir bitten um Verständnis, dass wir auf Ihre Anfrage keine Auskunft erteilen», teilt eine Sprecherin mit.

* Name der Redaktion bekannt.

* Name von der Redaktion geändert

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Kommentare

User #853 (nicht angemeldet)

Sommerloch. Stimmt doch sogar: Haushaltsschere reicht nicht!

User #2028 (nicht angemeldet)

Gidor war auch mal billiger, Kurzhaarschnitt mit Waschen, Schneiden und Fönen, wenig Schaum und Haarspray 74.00 Franken 😱 Musste 2x schauen !

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