Auf Zwangsmassnahmen für abgewiesene Asylsuchende soll, wenn möglich, verzichtet werden. Dies verlangt die Kommission zur Verhütung von Folter.
Asylsuchende
Asylsuchende vor einem Wohnheim. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei abgewiesenen Asylsuchenden soll auf Zwangsmassnahmen verzichtet werden.
  • Dies verlangt die Kommission zur Verhütung von Folter.
  • Kinder mussten mitansehen, wie ihre Eltern gefesselt wurden.
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Müssen abgewiesene Asylsuchende per Flugzeug ausgeschafft werden, soll auf Zwangsmassnahmen, wenn immer möglich, verzichtet werden. Das verlangt die nationale Kommission zur Verhütung von Folter. Sie kritisiert in ihrem neusten Bericht auch, dass Kinder mitansehen mussten, wie ihre Eltern in Fesseln gelegt wurden.

Zwischen April und Dezember 2021 begleitete die nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) 33 Rückführungs-Sonderflüge, davon vier EU-Sammelflüge.

So zurückgeführt wurden insgesamt 130 Personen, darunter sechs Familien mit 15 Kindern. Zudem beobachtete die NKVF acht polizeilich begleitete Rückführungen mit Linienflügen.

Teilfesselungen auf dem Weg zum Flughafen

Insgesamt sei der Umgang mit den betroffenen Personen professionell und respektvoll gewesen, schrieb die Kommission am Dienstag. Bedauerlich seien aber häufige Teilfesselungen auf dem Weg zum Flughafen und auf dem Flughafen. Solche Zwangsmassnahmen dürften nur erfolgen, wenn die Betroffenen sich selbst oder andere gefährdeten.

Erneut beobachtete die NKVF zudem, dass trotz ihrer früheren Empfehlungen in drei Fällen erneut Kinder mitansehen mussten. Dies wurde gegenüber ihren Vätern oder Müttern bei der Anhaltung, auf dem Flughafen und im Flugzeug Zwangsmassnahmen angewendet.

Die NKVF berichtet von einer schwangeren Mutter, die in Anwesenheit ihrer Kinder Handschellen tragen musste. Sie habe ihr Kleinkind gefesselt stillen müssen und habe die Handschellen auch während der ärztlichen Untersuchung nicht ablegen dürfen. Dieser Umgang mit einer schwangeren Mutter sei erniedrigend und unmenschlich.

Flughafen
Vor Anwesenheit der Kinder musste eine Mutter Handschellen tragen. (Symbolbild) - Keystone

Erst vor der Abfahrt zum Flughafen wurden der Frau die Fesseln abgenommen. Die Behörden begründeten die Fesselung der Frau gegenüber der NKVF mit der Gefahr, dass diese ihre Kinder hätte verletzen können.

Laut der NKVF wurde die Zwangsrückführung dieser Familie mit den involvierten Behörden bilateral besprochen. Verschiedene Praktiken, die die Kommission als unangemessen erachte, seien erneut beobachtet worden.

Fesselungen seien abhängig vom Verhalten der zurückzuführenden Personen und den konkreten Umständen des Einzelfalls angeordnet worden. So hielt der Fachausschuss Rückkehr und Wegweisungsvollzug in einer Stellungnahme zum Bericht fest. Das gelte auch für Familien.

17 Zwangstest auf das Coronavirus

Es liege prioritär in der Hand der Eltern, durch Kooperation mit den Vollzugsbehörden eine Zwangsanwendung zu verhindern. Grundsätzlich würden als Ultima Ratio nur Personen mit Sonderflügen zurückgeführt. Bei denen sei eine Rückführung auf Linienflügen aufgrund ihres Verhaltens nicht möglich und eine «starker körperlicher Widerstand» zu erwarten sei.

Der von der NKVF empfohlene Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern bei Rückführungen ist in den Augen des Fachausschusses nicht notwendig. Die Menschen, die ausgeschafft würden, würden in einem Vorbereitungsgespräch in einer ihr verständlichen Sprache über den Ablauf der Rückführung informiert.

Die NKVF beobachtete zudem 17 Zwangstests auf das Coronavirus an Flughäfen. Die nötige Gesetzesgrundlage – eine Anpassung im Ausländergesetz – ist seit Anfang Oktober 2021 in Kraft.

Von fünf Personen auf den Boden gelegt

In einem Fall wurde eine Person, die sich dem Test widersetzen wollte, von fünf Personen auf den Boden gelegt. Sie wurde mit einem Gürtel gefesselt und für den Nasenabstrich am Kopf festgehalten. Obwohl sich die Person gewehrt habe, sei sie genügend gut festgehalten worden, um eine Verletzungsgefahr durch das Wattestäbchen abzuwenden.

Die NKVF stellt sich nach wie vor gegen Covid-19-Zwangstests. Schon vor der Anpassung des Ausländergesetzes hatte sie zu bedenken gegeben, dass Zwangstests zu somatischen und psychischen Verletzungen führen könnten.

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