Analyse zeigt: Drei von vier Lebensläufen sind aufgehübscht
Der Schweizer Arbeitsmarkt lässt Bewerber kreativ werden. Eine Analyse der Firma Aequivalent zeigt, wie und weshalb Arbeitnehmer ihre Lebensläufe frisieren.

Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz werden drei von vier Lebensläufen aufgehübscht.
- Grund dafür ist der zunehmende Konkurrenzdruck auf dem Schweizer Arbeitsmarkt.
- Experten warnen vor Reputationsschäden und der Kündigung.
Rekrutierungsprozess für den Posten eines Finanzvorstands. Die HR-Fachleute staunen über die glänzenden akademischen Leistungen des Kandidaten. Später stellt sich heraus: alles gefälscht.
Doch solche Fälle sind keine Ausnahme. Der wachsende Konkurrenzdruck, gerade bei begehrten Stellen, lässt Bewerbende kreativ werden.
Eine Analyse der Firma Aequivalent zeigt: Rund 74 Prozent der geprüften Dossiers sind geschönt. Das berichtet die «SonntagsZeitung».
Schönfärben als Normalfall
Aequivalent überprüft regelmässig Bewerbungsunterlagen im Auftrag von Arbeitgebern. Das Ergebnis: mal nur unvollständig, mal klar falsch.
In den Lebensläufen tauchen aufpolierte Berufserfahrung, erfundene Führungsaufgaben oder frisierte Projekterfahrung auf. Auch Diplome und Fachzeugnisse, die nie oder nur teilweise erworben wurden, landen im Bewerbungsschreiben.
Für die Analyse wurden rund 3600 Bewerbungsunterlagen aus dem vergangenen Jahr ausgewertet. Auffällig ist, dass Deutschschweizer etwas ehrlicher sind als Westschweizer. Frauen und ältere Kandidaten tricksen weniger als Männer und Jüngere.
Besonders problematisch: Bei 26 Prozent der potenziellen Fachkräfte bestehen mögliche Interessenskonflikte, bei 70 Prozent der ausgewerteten Unterlagen droht der Firma ein Reputationsrisiko.
Doch es kommt noch gravierender. Bei rund 5 Prozent der Dossiers sind die Mängel so schwerwiegend, dass sie gegen das Gesetz verstossen.
Warum Bewerber tricksen
Die Gründe für das Aufhübschen liegen auf der Hand.
«Im wettbewerbsintensiven Schweizer Arbeitsmarkt liegt es nahe, den eigenen Werdegang zu optimieren, höhere Salärvorstellungen zu rechtfertigen oder Schwachstellen zu kaschieren». Das sagt Matthias Thürer, Marketingleiter bei Aequivalent, gegenüber der Zeitung.
Hunderte Interessierte bewerben sich auf eine Stelle. Wer da herausstechen will, greift schnell zur Selbstinszenierung. Doch Thürer warnt vor dem Aufhübschen.
«Wenn es wirklich blöd läuft, dann löst der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auf», so der Marketingleiter.
KI als Gamechanger
Eine neue Dimension bekommt das Thema durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). ChatGPT und andere KI-Tools machen das Glätten von Lebensläufen einfacher denn je.
Laut Jessica Silberman-Dunant, Präsidentin von HR Swiss, geht heute kaum noch ein Dossier ohne digitale Hilfe raus. Während Bewerbungscoaches von falschen Angaben abraten, verleitet KI dazu, Passagen elegant zu beschönigen.

Arbeitgeber reagieren zunehmend mit schärferen Prüfungen. Doch nicht jede berufliche Abweichung ist Betrug. Wer Lücken oder fehlende Diplome transparent einordnet, kann sogar punkten.
Klar ist: Wer trickst, riskiert nicht nur den Job — sondern vor allem seine Glaubwürdigkeit.